piwik no script img

Ein Freibrief für Italiens Mauschler

■ Ein Gericht erklärt die Vergabe von Posten nach Parteibuch in der Lombardei für korrekt

Rom (taz) – Das Urteil wird, sollte es auch in höheren Instanzen Bestand haben, Geschichte schreiben: Wenn neugewählte Exekutivorgane die Ernennung von Amtsleitern nach Parteibuch und nicht nach Qualifikation vornehmen, so liege dies, meinen Italiens Richter, „in der Logik der politischen Führung“. Daher sei dieses Vorgehen weder als Amtsmißbrauch zu ahnden, noch sei es korruptionsverdächtig. Damit wurde die gesamte lombardische Regionalregierung der Jahre 1994 bis 1995 freigesprochen, der die Staatsanwaltschaft Überschreitung ihrer Kompetenzen und Verzerrung von Wettbewerbschancen vorgeworfen hatte. Schließlich hätten die Mauschler der dortigen Koalition aus Bürgerlichen und der Liga Nord „nicht so gehandelt, um die außerparteilichen Kandidaten zu schädigen, sondern lediglich, um die eigenen Parteifreunde zu fördern“.

Im konkreten Fall war es darum gegangen, daß einige der Ausgeschiedenen, die sich besser qualifiziert dünkten für die Übernahme von Leitungsposten im Gesundheitswesen und in den staatlichen Banken, den TÜV-Stellen und den Fremdenverkehrsämtern, die Ernennungen ihrer Konkurrenten angefochten hatten. Die Chancen schienen nicht schlecht zu stehen – ausgelöst worden war der Fall nämlich durch ein versehentlich eingeschaltet gebliebenes Handy, durch das ein Redakteur der Zeitung Corriere della sera die gesamte Absprache in der Regionalregierung mitschneiden konnte. Doch das Gericht befand anders.

Der Aufschrei der Öffentlichkeit hält sich in Grenzen. Dennoch erwägt die Regierung derlei Gemauschel per Gesetz zu verbieten. Allerdings wird sie sich mit der Begründung am Ende zumindest moralisch schwer tun. Die Mitte- Links-Regierung hat, nach ein paar Monaten durchaus ehrenvoller Ernennungen strikt nach Qualifikation, längst auch landesweit die alte Seilschaftenbedienung aufgenommen, wie es alle ihrer Vorgängerinnen getan hat. Werner Raith

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen