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Brecht zum Wohlfühlen

■ Ja ja, schlimme Zeiten waren das damals: ein gänzlich politikfreies „Leben des Galilei“ im Ernst Deutsch Theater

Wer sich immer schon gewundert hat, wieso die Etablierten heute zuhauf genüßlich Brecht konsumieren, sollte sich Valéry Grishks Inszenierung von Leben des Galilei im Ernst Deutsch Theater gönnen. Denn die entführt aus dem Deutschland des Jahres 1998 ins Italien des 17. Jahrhunderts – und läßt sie eben dort. Von einigen plumpen Andeutungen wie aktuellen Polizeiuniformen abgesehen, erspart der Regisseur dem Publikum jeden Bezug zur Gegenwart, seine Mächtigen bleiben in ihrer Überkostümierung schlicht Adelige. Dadurch wird – wovor Brecht ausdrücklich warnte – „das Augenmerk von häufig reaktionären Obrigkeiten abgelenkt“.

Auch die SchauspielerInnen scheinen nicht zu ahnen, daß ihre Sätze 1938 im Exil geschrieben worden sind – für die Zukunft, nicht für die Vergangenheit. Da retten auch Effekte wie im Dunkeln angestrahlte Gesichter nichts, man hat sie alle schon gesehen. War es beim letzten Oberstufentheater? Hat Grishk dann einmal einen Einfall – wie der schwankende Boden, auf dem sich Galilei im Angesicht der Inquisition bewegt –, strapaziert er ihn gleich über.

Brecht selbst hatte die Angewohnheit, Ideen des Theaterpersonals, von der Toilettenfrau bis zum Hausmeister, aufzugreifen. Das hätte auch Grishk gut gestanden. Aber Kostüme, Schauspieler und Effekte können auch gar keine Message transportieren – weil es keine gibt. „Wer wäre nicht auch mal gern sein eigener Herr und Meister.“ Dieser und andere Sätze werden im Ernst Deutsch Theater alberner Klamauk, über den auch Herren und Meister schmunzeln können. „Ja, ja, schlimme Zeiten damals“, kann man beim Heimgehen sagen – und an die eigene Zeit kein Adrenalin verschwenden.

Heike Dierbach

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