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Im Kinosessel zum Tiefflug über Meer und Steppe

Das neue Imax-Kino am Potsdamer Platz entführt die Zuschauer wie auf einer Achterbahnfahrt in die Südsee oder in den afrikanischen Serengeti- Nationalpark. Eine richtige Handlung haben die Filme nicht, sie wollen das Publikum nur glücklich machen. Ein Erfahrungsbericht  ■ von Ocke Bandixen

Berlin liegt in Afrika. Und in der Südsee. Und ich bin mittendrin. Zumindest für je 45 Minuten, denn so lange dauert eine Vorstellung im Imax-Kino am Potsdamer Platz. Selbst am Vormittag füllt sich der hohe Kinosaal mit gut 300 Menschen. „Die Wunderwelt der Meere“ steht auf dem Programm. Nach kurzer Einführung in die Technik beginnt die Reise.

Tiefflug über das Meer. Und wir fliegen mit. Jeder Kurve wird gefolgt. Hälse recken sich, Köpfe werden geneigt. Über uns dramatische Wolken, unter uns rasen Inseln, Berge und Felder dahin. Wo soll man zuerst hingucken, alles fliegt so schnell an uns vorbei. Wie in der Achterbahn ringe ich nach Luft. Eine Linkskurve kippt den Horizont, ich lehne mich zur Seite. Keine gespannte Kinoruhe, sondern Juchzen und Klatschen begleiten den Trip.

Dann tauchen wir ab. Kopfüber geht es in die blauen Fluten. Zu Sphärenklängen begegnen wir Schwärmen blinkender Fische und verweilen an bunten Korallen. Die Bewegungen werden langsamer, Taucher haben zum Schauen mehr Zeit als Piloten. Wir kämpfen uns durch gelbliches Seegras, einige Feuerquallen schweben vorbei. Mit sanfter Stimme werden die Bilder erklärt. Das ist gut, um nicht unter Wasser die Orientierung zu verlieren. Wo ist oben, wo unten? „Nachts gleiten die Quallen auf den Grund hinab, um ihre inneren Gärten zu düngen.“ Ich aber möchte lieber wieder nach oben. Und tatsächlich, wir schwimmen an die Oberfläche zum Tageslicht.

Ökobotschafen runden den visuellen Tauchgang ab. Ja, ich weiß, wir haben nur die eine Erde, und mit den Meeren muß man sehr vorsichtig sein. Wir landen wieder in den Schalensitzen und sollen die oberen Ausgänge benutzen. „Am Anfang war mir schon ein bißchen mulmig, der Kopf wurde einem richtig hochgerissen“, gibt Besucher Thomas Hofner zu. „Aber daran gewöhnte man sich schnell. Jede Woche muß ich das allerdings auch nicht haben.“

Der Filmvorführer Yves Racine legt den nächsten Film ein. „Afrika: Die Serengeti“ wird nicht in die Kuppel, sondern auf die Großbildleinwand projiziert, die so hoch ist wie der gesamte Kinosaal. Die nach einem besonderen Verfahren aufgenommenen Streifen können nur in Imax-Kinos gezeigt werden. Auf Metalltellern von einem Meter Durchmesser liegen die Filmspulen und werden von dort horizontal abgewickelt. „Diese Filmrollen wiegen allein schon 90 Kilo.“ Wenn in Zukunft mehr als die fünf aktuellen Filme gezeigt werden, wird Yves Racine einen Gabelstapler zum Auflegen der Streifen benutzen.

Der nächste Film. Einige Besucher sehen sich eine Doppelvorstellung an, neue kommen hinzu. Anders als die Kuppel zieht die flache Leinwand den Zuschauer nicht ins Geschehen. Vielleicht ist das auch gut so, denn mitten unter die wilden Tiere der Serengeti möchte ich nicht unbedingt geraten. Eine Löwin reißt ein unschuldiges Weißbartgnu. Der dazugehörige Löwe nagt an gelblichen Knochen. „Einige Tiere fressen während 70 Prozent ihrer Lebenszeit. Das Prinzip ist einfach: Pflanzenfresser fressen Pflanzen, Fleischfresser fressen Pflanzenfresser.“ Grzimek läßt grüßen.

Vielleicht sitzen deshalb so viele Schulklassen um mich herum. Ausflug in die afrikanische Steppe statt Tafelbild und Biobuch. Das fliegende Klassenzimmer eben, denn nun geht es wieder in die Luft. Diesseits von Afrika schweben wir über Antilopenherden und Affenbrotbäumen. Doch wo ist Robert Redford? Eine richtige Handlung hat auch dieser Film nicht. Imax will niemanden überfordern. Nur glücklich machen. „Das ist wie Urlaub“, schwärmt Evelyn Sittnick. Die Berlinerin ist schon zum zweiten Mal hier. „Wer kommt sonst schon mal auf die Philippinen. Oder nach Afrika?“

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