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„Die Miethaie sterben nicht aus“

■ Fünf Jahre Miethai & Co: Eve Raatschen und Achim Woens von Mieter helfen Mietern im Interview über Wohnungsmarkt und den Spagat zwischen Service und politischen Ansprüchen

taz: Seit fünf Jahren, erstmals am 6. Oktober 1993, erscheint eure Kolumne Miethai & Co jeden Mittwoch in der taz hamburg. Wie viele Miethaie habt Ihr seitdem schon erlegt?

Achim Woens: 260. Einen pro Woche.

Großartig. Und was hat sich seither auf dem Hamburger Wohnungsmarkt sonst noch gebessert?

Woens: Wir haben viel mehr Mitglieder als damals. Vor fünf Jahren waren es rund 12.000, heute sind es 19.000 ...

Glückwunsch.

Woens: Danke. Aber ernsthaft: Natürlich hat das vor allem damit zu tun, daß die Bedingungen auf dem Wohnungsmarkt noch härter geworden sind. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß sie sich im Moment zumindest in bestimmten Segmenten des Wohnungsmarktes verbessert haben.

Eve Raatschen: Man kann es auch an der Mietenentwicklung sehen. Nach den Hamburger Mietenspiegeln gab es von 1993 bis 1995 eine Steigerung von acht bis neun Prozent bei den Durchschnittsmieten, auf 1997 von nur ungefähr vier Prozent. Das heißt, es ist nach wie vor eine Steigerung, nur nicht mehr ganz so stark.

Klingt nach Entspannung auf dem Wohnungsmarkt ...

Raatschen: Nur bei den kleinen, sehr teuren Neubauwohnungen. Wir merken das bei unseren Beratungen: Die Mieter, die sehr teuer gemietet haben, kommen vermehrt, weil sie versuchen, aus ihren Mietverträgen herauszukommen. Das gilt aber auf gar keinen Fall für die billigen Altbauwohnungen und auf dem Wohnungsmarkt für die breite, gering verdienende Bevölkerung.

Woens: Da muß man auch die veröffentlichte Meinung über den Wohnungsmarkt sehen: Alle reden von Entspannung – das wirkt sowohl auf die Mieter als auch auf die Vermieter, die tendenziell eher im Kopf haben: „Na ja, im Moment darf ich nicht ganz so frech sein.“

Was hat sich denn bei den Themen der Beratung in den vergangenen fünf Jahren geändert?

Woens: Mängel und Mieterhöhungen, würd' ich mal sagen, sind die wichtigsten Themen. Jenseits davon gibt es aber eine ganz eindrucksvolle Entwicklung: Obwohl die Nebenkosten fast doppelt so stark gestiegen sind wie die Mieten, ist ihr Anteil an den Beratungsgesprächen mit zehn bis zwölf Prozent ungefähr gleich geblieben. Für mich ist das ein einziges Rätsel.

Heißt das, bei den Nebenkosten ist noch viel zu holen, aber die Mieter nutzen das nicht?

Woens: Die durchschnittlichen Nebenkosten liegen bei 4,50 Mark pro Quadratmeter und Monat. So viel müßte das häufig nicht sein. Man kann sagen: In fast jeder Abrechnung, die man sich anguckt, kann man Fehler finden.

Wir sprechen die ganze Zeit über Beratung. Ist Mieter helfen Mietern, das 1980 mit politischem Anspruch gegründet wurde, im Laufe der Jahre zu einem reinen Dienstleistungsunternehmen geworden?

Woens: Das ist eine Frage, mit der wir uns ständig beschäftigen. Bei jeder Einstellung stehen wir vor der Entscheidung: Nehmen wir einen Juristen, der den Service-Bereich stützt, oder nehmen wir jemanden, der die politische Arbeit vorantreibt? Wir haben das bei uns mit einer Mischung beantwortet: Jeder Berater sollte auch Mieterinitiativen unterstützen und sich einen inhaltlichen Bereich erarbeiten. Drei Viertel der Arbeit hier gehen in den Service, zehn Prozent in das, was man so Geschäftsführung nennt, und 15 Prozent gehen in die politische Arbeit.

Zum Beispiel?

Woens: Dazu gehören ganz verschiedene Dinge: Zum Beispiel bin ich jetzt Mitglied im Arbeitskreis Arbeit und Klimaschutz der Umweltbehörde, wo wir dazu beitragen wollen, daß die Art, in der man in puncto Heizung und Klimaschutz den Gebäudebestand sanieren will, die Mieter nicht über Gebühr belastet.

Also Lobbyismus in behördlichen Gremien?

Woens: Das ist nur ein Bereich unserer Arbeit. Wir unterstützen seit fast zehn Jahren den Dachverband der Hamburger Mieterinitiativen. Immer wieder gründen sich mit seiner Hilfe größere Mieterinitiativen, unlängst zum Beispiel in Winterhude die Initiative Poßmoorweg / Moorfuhrtweg mit 101 Wohnungen.

Hier wollen wir exemplarisch unter folgender Prämisse arbeiten: Vermieter ist die Saga, und die verwaltet und besitzt ungefähr 100.000 Wohnungen in Hamburg. Wenn wir denen nicht an so einem Projekt mal knallhart zeigen, wie sie bei Modernisierungen und Instandhaltungen mit den Mietern umzugehen haben, werden sie es möglicherweise nie begreifen. Das ist eine unserer originären politischen Aufgaben.

Raatschen: Gerade weil wir die Sorge hatten, daß wir auf einen Beratungsverein reduziert werden, haben wir die politische Arbeit in jüngster Zeit forciert. Wir wollen erreichen, daß sich die Mieter als eine Gemeinschaft begreifen, weil sie so gegenüber dem Vermieter eine viel stärkere Position haben.

Seit fast einem Jahr regiert Rot-Grün in Hamburg. Hat das zu Verbesserungen für die MieterInnen geführt?

Raatschen: Die einzige Verbesserung, die Rot-Grün in Hamburg bisher für MieterInnen gebracht hat, war die lange überfällige Reduzierung der Fehlbelegungsabgabe. Auf der anderen Seite hat uns Rot-Grün die Senkung der von den Sozialämtern zu übernehmenden Mietkosten von SozialhilfeempfängerInnen beschert. Sie ist gesetzeswidrig und nicht tolerierbar.

Bald gibt's Rot-Grün wohl auch im Bund. Welche Hoffnungen knüpft ihr daran?

Raatschen: Was die Verbesserung des gesetzlichen MieterInnenschutzes angeht, kann und sollte Hamburg zwar vieles anregen, aber letztendlich fällt dieser Bereich unter die Bundesgesetzgebung. Deshalb erwarten wir von einer rot-grünen Bundesregierung, daß sie ein Umwandlungsverbot durchsetzt. 1993 ist das Mietrechtsänderungsgesetz in Kraft getreten, bei dem ein wesentlicher Punkt die zehnjährige Kündigungssperrfrist bei der Umwandlung in Eigentumswohnungen war. Nach unseren Erfahrungen reicht sie nicht aus, um den Mietern ihren Wohnraum zu sichern.

Außerdem sollte das Mietrecht vereinfacht werden. Zum Beispiel sollte die Möglichkeit von Mieterhöhungen wegen Modernisierung entfallen. Und natürlich muß die Kappungsgrenze von höchstens 20 Prozent Mieterhöhung innerhalb von drei Jahren, die das Kohl-Kabinett vor kurzem hat auslaufen lassen, wieder eingeführt werden.

Bei diesem Thema seid ihr euch einig mit Hamburgs SPD-Bausenator Eugen Wagner.

Woens: Ja, in diesem Punkt ist auf Wagner Verlaß. Das kostet ihn ja auch nichts, macht sich aber gut. Wichtig ist aber gerade auch für Hamburg, eine alte Forderung der Mieterbewegung endlich zu verwirklichen: die Koppelung von Neuvermietungen an den Mietenspiegel. Dann könnten Vermieter nicht mehr bis zu 50 Prozent mehr Miete von den Neuen verlangen. Das wäre ein erheblicher Fortschritt.

Wie viele Miethaie sind denn in Hamburg noch übrig?

Raatschen: Ich fürchte, die sterben so schnell nicht aus.

Interview: Gernot Knödler

Sven-Michael Veit

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