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„Künftige Investoren werden abgeschreckt“

■ Arnold Willemsen, Steuerexperte beim Industriedachverband BDI, zu rot-grünen Steuerplänen

taz: Der BDI klagt über hohe Mehrbelastungen für Unternehmen durch die rot-grünen Steuerpläne. Finanziert die Wirtschaft die Erleichterungen für die Arbeitnehmer?

Arnold Willemsen: Unterm Strich werden die Unternehmen auf jeden Fall mehr belastet als früher. Sie finanzieren durch ihre höhere Steuerlast die Erleichterungen für die Bezieher niedriger Einkommen. Die Frage ist nur, was hat das für einen wirtschaftspolitischen Effekt?

Was denken Sie?

Hinter dieser Entlastung steht ja ein keynesianischer Denkansatz, wonach die Erleichterung bei den Beziehern niedrigerer Einkommen den Konsum ankurbelt und dies wiederum zu einer Ausweitung der Produktion führt. Nach der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung liegt der Anteil des privaten Verbrauchs bei rund 1,5 Billionen Mark im Jahr. Dagegen nimmt sich die angekündigte Entlastung viel zu gering aus, um einen tatsächlichen Anstoß zu mehr Produktion zu geben.

Würden die rot-grünen Steuerpläne vor allem große Firmen mehr belasten?

Das kann man so nicht sagen. Wenn man den Verlustrücktrag nimmt, also die Möglichkeit, Verluste steuerlich mit früheren Gewinnen zu verrechnen, dann trifft das sehr stark die kleinen Betriebe. Die können sich mit diesem Verlustrücktrag in schlechten Zeiten nämlich schnell Liquidität verschaffen.

In der Steuer-Streichliste ergeben manche Einzelposten riesige Summen. Allein mit einem neuen Wertaufholungsgebot, also der Vorschrift, Betriebsvermögen realer zu bewerten, könnte man fast das höhere Kindergeld finanzieren. Hatten deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich eine besonders große Freiheit der steuerlichen Gestaltung?

Alle Rechnungen zeigen, daß ein Gewinn, der in Deutschland erwirtschaftet und in Deutschland investiert wird, schon bisher steuerlich höher belastet wird, als wenn der gleiche Gewinn in Frankreich oder England investiert wird. Durch die Steuerpläne werden Investitionen im Inland erschwert und ausländische Investoren abgeschreckt. Was das für die Arbeitsplätze bedeutet, ist leicht auszumalen. Interview: Barbara Dribbusch

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