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BE in der Freien Volksbühne?

Muß das Berliner Ensemble sein? Eine Frage, die mit der Berufung von Claus Peymann zum neuen Intendanten nicht beantwortet, sondern erstickt wurde. Peymann selbst ist das Theater. Nicht unbedingt das von Brecht, aber das von gestern bis heute. Brechts Berliner Ensemble war schon zu DDR-Zeiten nur noch ein toter Mythos, von Brechts mehr als Nachlaßverwehrerin denn als -verwalterin agierender Tochter in den Würgegriff genommen. Nun setzt Rolf Hochhuth den Schwitzkastengriff an: denn ihm oder besser seiner Inge- Holzapfel-Stiftung gehört das Theatergebäude.

Alle Probleme begannen nach der Wende, als die damalige Kulturverwaltung schlief und Hochhuth sich die Immobilie von den jüdischen Erben übereignen ließ. (S)ein Autorentheater sollte es werden, das Brechtsche Haus, mit sommerlich garantierten Aufführungen eigener Stücke. Seitdem schleppt sich der Verhandlungspoker dahin. Hochhuth besitzt das Haus, der Senat hat das Geld, und beide haben völlig andere Absichten. Im September 1997 ist bereits ein Pachtvertrag ausgehandelt und dann paraphiert worden. Seit Mai 1998 könnte er unterschrieben werden. Tut Hochhuth aber nicht, er prangert lieber den vertragslosen Zustand an!

Der Pachtvertrag soll für 30 Jahre gelten, und einmal im Jahr soll die Inge-Holzapfel-Stiftung für fünf Wochen (in den Theaterferien) das Recht erhalten, das Theater selbst zu bespielen. Genannt wurde von Hochhuth bisher immer nur sein „Stellvertreter“. Wer mit wem und wessen Geldern die Aufführung realisieren soll, hat er nie gesagt. Das heißt, Hochhuth hofft auf Lotto- oder Hauptstadtkulturfonds- Gelder. Die kann ihm aber keiner garantieren. Aber auf seine vertrackte Hauseigentümerart pokert er wohl gerade um die, auch beim aktuellen Streit: denn 1999 wird das BE rekonstruiert, und dennoch möchte Hochhuth eine Garantie für die Aufführung seines Stückes während der Bauarbeiten. Eine Garantie, die das Land Berlin natürlich nicht geben kann und die es teuer zu stehen käme.

Doch die Zeiten, in denen Kultursenatoren erpreßt werden konnten, scheinen vorbei. Weil ja bereits Theater leer stehen. Zum Beispiel die Freie Volksbühne in der Schaperstraße. 1993 als Theater mit eigenem Ensemble und Repertoire abgewickelt, erlebte sie bis Mitte 1997 ein Desaster als Musicalbühne und kümmert seitdem dahin. Täglich kommen Hiobsbotschaften vom Eigentümer, dem Volksbühnenverein: Nun seien aber Konkurs und Schließung nicht mehr abzuwenden...

Trotzdem: Das schöne Theatergebäude ist noch relativ intakt. Deshalb verhandelt der Senat nun auch mit der Freien Volksbühne. Das BE begann 1949 im Deutschen Theater, erst nach fünf Jahren zog es an die Spree. Längst ist es nicht mehr Brechts, sondern eine tote Bühne. Ein Modell auch für gescheiterte Ost- West-Zusammenarbeit. Der Wechsel vom Osten in den Westen würde nur dokumentieren, was jeder seit Peymanns Berufung weiß: Das alte Berliner Ensemble ist tot. Es lebe das neue alte Theater von Claus Peymann.

Was Hochhuth mit seiner Immobilie macht, ist dann wirklich seine Sache. Verantwortlich für das Symbol BE ist Hochhuth aber schon heute. Hartmut Krug

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