: Cannabisjünger vor der Pleite
Das Bündnis Hanfparade e.V. hat sich bei der Organisation der diesjährigen Hanfparade verkalkuliert: Ohne Sponsoren droht den Veranstaltern das Aus ■ Von Volker Wartmann
Die diesjährige Hanfparade war voraussichtlich die letzte. Wie es aussieht, ist nach nur zwei Jahren Schluß mit dem kollektiven, fröhlichen, rauchigen Demonstrieren für die Legalisierung von Cannabis vor dem Brandenburger Tor. „Die Chancen, daß es nächstes Jahr wieder eine Hanfparade gibt, stehen wesentlich schlechter als fifty- fifty“, sagt Martin Müncheberg, Sprecher des Bündnisses Hanfparade e.V.
Grund des Trübsalblasens ist das fehlende Geld: Nach der Hanfparade '98 steht der Verein Bündnis Hanfparade mit rund 45.000 Mark Schulden kurz vor dem Aus. Die Einnahmen aus der diesjährigen Hanfparade am 29. August fielen wesentlich geringer aus als kalkuliert und reichten bei weitem nicht zur Kostendeckung der Veranstaltung.
Am 22. November soll auf einer auerordentlichen Mitgliedervollversammlung die endgültige Entscheidung über die Zukunft der Hanfparade fallen. „Bis zu diesem Zeitpunkt muß sich klären, ob es doch noch eine finanzielle Basis für eine weitere Hanfparade gibt“, erläutert Martin Müncheberg.
„Falls das nicht der Fall sein sollte, wird der Verein aufgelöst. Das heißt: die Liquidation des Vereins beschlossen und die Eröffnung des Konkursverfahrens eingeleitet.“ Eigentlich sollte die Entscheidung über das „Weitermachen oder nicht“ schon am 3. Oktober fallen. Jedoch waren von über 150 eingeladenen Mitgliedern zu der als „alles entscheidenden Mitgliederversammlung“ anberaumten Sitzung nur ein Dutzend Leute erschienen.
„Alle Anwesenden plädierten eindringlich für eine Fortsetzung des Projekts, darum haben wir uns noch eine Galgenfrist bis Ende November eingeräumt“, sagt Gert Brunner, Vorstandsmitglied beim Bündnis Hanfparade. Eine Hanfparade '99 werde es nur dann geben, wenn in den nächsten fünf Wochen mindestens 20 Sponsoren eine verbindliche Zusage hinsichtlich ihrer finanziellen Unterstützung geben. „Auf der CannaBusiness '98 in Hennef haben bereits zehn Firmen ihre Sponsoringabsichten mündlich zugesagt“, so Brunner. „Das ist zwar gut und schön, aber wir brauchen verbindliche, am besten schriftliche Abmachungen.“
Die Skepsis ist berechtigt: Schon auf der letztjährigen CannaBusiness hatten 15 Firmen wohlwollende Unterstützungsabsichten bekundet, letztendlich aber nur vier ihre Verlautbarungen auch in die Tat umgesetzt, also mit je 3.000 Mark die diesjährige Hanfparade gesponsert.
Mit Einnahmen von rund 170.000 Mark hat das Bündnis Hanfparade für dieses Jahr gerechnet, aber nur etwa 73.000 Mark kamen in die Kasse. Bei Kosten von rund 120.000 Mark bedeutet dies ein Defizit von rund 47.000 Mark. Die Kosten setzen sich zusammen aus direkten Kosten fü die Veranstaltung von etwa 45.000 Mark, für die Anmietung einer Bühne, der Beschallungsanlage und was sonst noch so alles für ein Open-air-Fest benötigt wird. Rund 85.000 Mark Kosten sind im Vorfeld der Veranstaltung angefallen, beispielsweise Druckkosten für Plakate und Flyer (16.000 Mark), Büromiete (18.000 Mark) sowie Altschulden des Vereins von rund 15.000 Mark.
Diese Ausgaben sollten auf dem Hanffest vor dem Brandenburger Tor wieder eingespielt werden. Jedoch blieben beispielweise die Einnahmen aus dem Getränkeverkauf mit knapp 14.000 Mark weit über die Hälfte hinter den Erwartungen von 40.000 Mark zurück. Die Einnahmen aus der Bühnenwerbung waren mit 30.000 Mark kalkuliert worden, tatsächliche Einnahme: 5.000 Mark. Von Sponsoren war mit einem Zuschuß von 45.000 Mark gerechnet worden, de facto kamen aber nur 21.000 Mark zusammen.
Und aufgrund des Genehmigungshickhacks mit der Senatverkehrsverwaltung konnten auch nicht so viele Stände wie vorgesehen vermietet werden, weil 30 potentielle Mieter kurzfristig absagten.
Das Bündnis Hanfparade e.V. spart nicht mit Selbstkritik. „Vielleicht waren wir zu blauäugig“, sagt Pressesprecher Müncheberg: „Wir haben mit mehr Idealismus in der Szene gerechnet.“ Warum es bei mindestens fünf Millionen Konsumenten nicht einmal ein paar hundert gebe, die den Verein mit einem „Hunni“ zu unterstützen bereit sind, ist für die Aktivisten vom Bündnis Hanfparade schwer nachvollziehbar. „Die kaufen sich wahrscheinlich lieber ein Piece für das Geld.“
Ohne ein tragfähiges Konzept sind die Macher der Hanfparade unter keinen Umständen zu einem weiteren Jahr ehrenamtlicher Arbeit bereit. Müncheberg: „Wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß in den nächsten Wochen noch Entscheidendes passiert.“
Kontakt: Bündnis Hanfparade e.V., Mühlendamm 5, 10178 Berlin, Tel.: (030) 24720233, Fax: (030) 24720231
E-Mail: hanfparade@hanfnet.de
Internet: http// www.hanfnet.de/ hanfparade
Bankverbindung: Hanfparade, Kto.-Nr.: 230 133 80, BLZ 100 900 00, Volksbank Berlin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen