: Ex-BesetzerInnen im Visier
■ Die CDU fragte den Senat über die Grünenstraße 18 aus / Ist das ex-besetzte Haus in der Neustadt noch wahlkampftauglich? Wird die Miete überhaupt pünktlich gezahlt?
„Die Fragen sind dreist“. Peter sitzt in der Wohnküche im oberen Stockwerk der Grünenstraße 18, regt sich auf und liest die kleine Anfrage der CDU zum Thema „Verein Come Together“. Peter ist der Vorsitzende des Vereins, der in dem ehemals besetzten Haus in der Neustadt firmiert. Seit nunmehr neun Jahren wohnen hier Menschen mit linksalternativem Lebensentwurf (siehe Kasten), von den UrbesetzerInnen ist niemand mehr dabei.
Die kleine Anfrage hat es in sich: Wovon leben die Hausbewohner, gar von Sozialhilfe? Das will der CDU-Abgeordnete Rolf Herderhorst im Namen seiner Fraktion wissen. Sind die Bewohner polizeilich gemeldet? Was haben sich die Ex-Besetzer seit 1992 zu schulde kommen lassen? Wer bezahlt die Miete, kommt sie pünktlich? Wurden die Bewohner „resozialisiert“, indem sie mit ABM-Geldern ihr Haus renovierten? „Ich wollte einfach den aktuellen Stand abfragen“, sagt Herderhost. Pünktlich zu Beginn des Wahlkampfes für die neue Bürgerschaft kommt die Antwort. „Ich will hier nichts vom Zaun brechen“, beteuert er.
Jetzt, wo die Antwort des Senats vorliegt, wird das auch kaum noch gelingen: Für den Wahlkampf jedenfalls gibt sie nicht viel her. Zwar kündigt das Innenressort an, in Zukunft „vergleichbare rechtswidrige Aktionen“ wie die Besetzung des Hauses nicht mehr hinzunehmen. Aber die Sozialsenatorin, ebenfalls für die Antwort nach ihrer Meinung gefragt, nimmt die Grünenstraßler in Schutz: „Nach Abwägung möglicher Alternativen“ bewertet sie „das Projekt positiv“. Viele CDU-Fragen wurden schlicht nicht beantwortet: zu Intim, Datenschutz.
„Ich freue mich immer, wenn sich Menschen mit eigenwilligen Lebensvorstellungen anzupassen verstehen“, sagt jetzt der CDU–Abgeordnete. Doch anpassen will sich „Come Together“ gerade nicht: Der Verein will immer noch die Off-Kultur fördern. Konzerte und Veranstaltungen finden hier statt, im Keller ist ein Proberaum für Punk- und Hardcore-Bands. In den Stockwerken zwei und drei wird gewohnt. „Im Prinzip gibt es doch kaum noch Freiraum oder Orte für solche Projekte in Bremen: nur noch das Sielwallhaus und das ZAKK“, sagt Bewohner Thomas.
Daß das Haus so manchem immer noch ein Dorn im Auge ist, wissen auch die BewohnerInnen: „Die Investoren, die um uns herum bauen, sehen uns bestimmt als Schandfleck“, sagt Katja. Die Straße soll „aufgewertet“ werden, das will Ortsamtsleiter Peter Fischer. Mit dem Hinterhofimage der Straße wird aufgeräumt: An drei Stellen in unmittelbarer Nähe wird gebaut. „Da paßt das Haus nicht mehr rein“ so Fischer unmißverständlich.
Das Problem könnte sich bald von alleine lösen: Als Thomas in der kleinen Anfrage liest, was das Haus ab Januar kosten soll, fällt ihm der Kinnladen auf Halbmast. Bislang hat die Bremische 1.500 Mark genommen. Bald sollen es 2.400 Mark sein. „Damit wäre die Schmerzgrenze, was wir bezahlen können, überschritten“, sagt Thomas.
Christoph Dowe
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