piwik no script img

Den geheimen Konten des Tudjman-Clans auf der Spur

■ Die Frau des kroatischen Staatspräsidenten Tudjman soll eine stattliche Summe beiseite geschafft haben. Ein Parlamentsausschuß soll jetzt die dubiosen Finanzgeschäfte untersuchen

Wien (taz) – Kroatiens Präsident Franjo Tudjman sieht sich umgeben von „Neidern und Hassern“. Doch er werde nicht klein beigeben, beteuerte der Staatschef am vergangenen Montag, als er ganz demonstrativ vor laufenden Kameras seine finanzielle Vermögenslage offenbarte. Aus diesem Anlaß spazierte Tudjman aus seinem Präsidentenpalast in der Oberstadt Zagrebs, einst Herrschersitz des selbstherrlichen kommunistischen Staatsgründers Josip Broz Tito, in die ärmlichere Unterstadt, um sich unterwegs ein Bild vom Leben der einfachen Menschen zu machen.

Dann gab er eine Pressekonferenz, auf der er eine lange Liste von „Geschenken und Leihgaben“ präsentierte, die ihm im Laufe seiner siebenjährigen Amtszeit überreicht worden sein sollen, darunter Gemälde, einige Autos, ein Schiff, ein Stück Wald und ein Stück Ackerland. Alles, was er sonst noch besitze, beteuerte der Präsident, habe er mit den Honoraren seiner gesammelten Werke, angeblich zwanzig an der Zahl, erwirtschaftet. Diese Summe beläuft sich immerhin auf einige hunderttausend Mark.

Doch warum diese operettenhafte Vorstellung? Tudjman hat allen Grund zur Schadensbegrenzung. Denn in der vergangenen Woche war erstmals ein handfester Beleg aufgetaucht, daß der Clan der Präsidentenfamilie bei weitem nicht so arm ist, wie er sich darstellt. Außerdem häufen Tudjman und Co. an allen staatlichen Institutionen vorbei öffentliches Vermögen auf privaten Konten an.

Der regimekritischen Tageszeitung Jutarnji list wurden Bankdokumente zugespielt, aus denen hervorging, daß Ehegattin Ankica über wohlgefüllte Fremdwährungskonten verfügt, deren Existenz sie bislang bestritten hatte. So wurden allein auf zwei ihrer Geheimkonten in den vergangenen beiden Jahren zusammen umgerechnet 440.000 Mark eingezahlt. Geld, so vermutet Jutarnji list, das Frau Tudjman vom staatlichen Kriegsopferhilfswerk „Rettet die Kinder Kroatiens“ abzweigt habe, deren Präsidentin sie ist.

Hauptinformatin in der Affäre ist eine Bankbedienstete, die nun auch öffentlich ihre Identität preisgab – auf die Gefahr hin, strafrechtlich belangt zu werden. Der Vorwurf lautet auf Verrat des Bankgeheimnisses. Außerdem greift ein dubioser Verfassungsparagraph, nach dem die „Schädigung des Ansehens des Präsidenten“ unter Strafe gestellt werden kann. Ankica Lepej beteuert, sie habe aus „moralischer Empörung“ gehandelt, angesicht der immer größeren Verarmung weiter Teile der Bevölkerung.

Schon wird Bankfrau Lepej von vielen Kroaten als Heldin gefeiert, da sie nach weitverbreiteter Meinung bewiesen hat, daß die Regierungskaste von der Spitze her korrupt ist und sich auf Kosten der kleinen Leute schamlos bereichert. Die parlamentarische Opposition will nun eine Mißtrauensantrag gegen die Regierungspartei HDZ einbringen, deren Vorsitzender Tudjman ist. Regimekritische Rechtsanwälte prüfen bereits die Möglichkeit eines Verfahrens wegen Amtsmißbrauchs, ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß soll sich außerdem mit den illegalen Finanzgeschäften der Tudjmans befassen.

Denn Gerüchte und Hinweise gibt es seit langem, daß der Tudjman-Clan sich heimlich massiv bereichere. So war Sohn Miroslav bis zu seiner Ablösung auf amerikanischen Druck im Frühjahr, Chef des Geheimdienstes HIS und alleiniger Koordinator für internationale Waffenbeschaffung. Der zweite Sohn Stjepan besitzt mit der Firma Domovina das Monopol für die Ausrüstung der kroatischen Armee, Tochter Nevenka ist Chefin der Ladengruppe Netel, der einzigen Duty-free-Shop-Kette im Lande. Enkel Dejan gehören mehrere luxuriöse Nachtklubs. Wieviel Provision bei all diesen Aktivitäten in die privaten Taschen der Tudjmans fließen, darüber läßt sich nur spekulieren. Karl Gersuny

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen