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Paragraph 218: Bayern verliert

Karlsruhe kippt das Sonderrecht im Freistaat. Mit 5:3 Richterstimmen wurden Beschränkungen bei der Zahl der zulässigen Abtreibungen pro Klinik aufgehoben  ■ Aus Karlsruhe Christian Rath

Der bayerische Sonderweg erwies sich als Sackgasse. Das Bundesverfassungsgericht stoppte ein Gesetz, mit dem Abtreibungskliniken im Freistaat verboten werden sollten. Dem stehe Bundesrecht entgegen, so der für das Berufsrecht zuständige Erste Senat. Erfolg hatten damit die Verfassungsbeschwerden von fünf bayerischen Ärzten, die ihre Praxen bedroht sahen. Drei von acht RichterInnen widersprachen der Entscheidung in einem Sondervotum.

Eigentlich war es eine „Lex Stapf und Freudemann“. Die beiden Mediziner Friedrich Stapf aus München und Andreas Freudemann aus Nürnberg unterhalten seit 1992 spezialisierte Kliniken, in denen rund 60 Prozent aller in Bayern durchgeführten Abbrüche vorgenommen werden. Möglich wurden ambulante Abtreibungen in Bayern erst nach der Neuregelung des § 218. Vorher mußten bayerische Frauen in der Regel nach Hessen fahren.

Doch Sozialministerin Barbara Stamm (CSU) reagierte schnell und ließ ein Gesetz erarbeiten, das den Kliniken von Stapf und Freudemann den Garaus machen sollte. Maximal ein Viertel seiner Einnahmen solle ein Mediziner mit Abtreibungen verdienen, so die zentrale Bestimmung. Zur Begründung hieß es, daß kommerzielle Interessen bei der Beratung nicht die Überhand gewinnen dürfen. Friedrich Stapf traf zudem eine weitere Schikane. Nur noch Gynäkologen sollen künftig in Bayern Abtreibungen vornehmen dürfen – und Stapf ist Chirurg. Der Verfassungsbeschwerde der beiden schlossen sich drei weitere Ärzte an, die zwar gemischte Praxen führen, aber ebenfalls mehr als 25 Prozent ihrer Einnahmen mit Abbrüchen erzielen.

Nach einer ersten mündlichen Verhandlung erließ das Verfassungsgericht im letzten Sommer eine einstweilige Anordnung, mit der die bayerischen Schikanen ausgesetzt wurden. Barbara Stamm konnte nämlich nicht nachweisen, daß ohne die Spezialpraxen genügend ambulante Abbruchmöglichkeiten bestünden.

Dabei wurde das bayerische Abtreibungsrecht nicht inhaltlich geprüft, sondern nur an der Bundesregelung von 1995 gemessen. Nach bayerischer Ansicht stellte das Bundesgesetz lediglich Mindestanforderungen auf, während die Mehrheit des Ersten Senats hierin ein weitgehend abschließendes Regelungskonzept sah. Ziel sei es, die „Verantwortungsbereitschaft“ der Schwangeren „durch Verständnis und Ermutigung“ zu stärken. Der repressive Weg habe nicht den erhofften „Lebensschutz“ bewirkt.

Eine Einnahmenquotierung für Ärzte hat der Bundesgesetzgeber nach Auffassung der Mehrheit des Gerichts zwar geprüft, aber ausdrücklich abgelehnt. Deshalb habe Bayern keine Gesetzgebungskompetenz für die umstrittenen Regelungen gehabt. Die drei RichterInnen Evelyn Haas, Karin Graßhof und der Senatsvorsitzende Hans- Jürgen Papier sahen das anders. In einem Sondervotum kritisierten sie, die fünf MehrheitsrichterInnen (unter ihnen ebenfalls zwei Frauen) hätten hier etwas in das Bundesgesetz „hineingelesen“, was die Abgeordneten gar nicht beabsichtigt hatten.

Unzulässig war nach Mehrheitsmeinung außerdem die bayerische Bestimmung, wonach ein Arzt die Abtreibung verweigern muß, wenn ihm die Schwangere nicht die Gründe für den Abbruch offengelegt hat. Auch hier stehe das Bundesgesetz entgegen, das auf die Erzwingung von Gesprächsbereitschaft verzichte.

Wie um den Schein eines nach allen Seiten ausgewogenen Urteils zu erwecken, gab es auch noch ein Sondervotum der beiden eher linken RichterInnen, Renate Jaeger und Jürgen Kühling. Nach ihrer Ansicht hätte Bayern überhaupt kein spezielles Zulassungsverfahren für Abbruchärzte einführen dürfen. Wieder mit 5-zu-3- Mehrheit forderte der Senat aber eine auf Friedrich Stapf zugeschnittene Übergangsregelung. Die Kosten des Verfahrens wurden der bayerischen Regierung im Verhältnis 9:1 auferlegt. Das gibt auch in etwa die Erfolgsquote in der Sache wider.

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