■ H.G. Hollein: So besser nicht
Das Büro, in dem ich täglich sitze, ist gelegentlich unterbesetzt. Dann ist es an mir, eine leidlich gangbare Schneise durch den Bewerbungswust zu schlagen. Dabei frage ich mich bisweilen, was die Leute so umtreibt. Eine bleistiftbeschriebene Karteikarte mit den Worten „S g Damen + Herren, vielleicht kann ich für Sie von Nutzen sein“ ist zwar in der inhaltlichen Verknappung beachtlich, lädt aber nicht unbedingt zu weiteren Mutmaßungen über den Verfasser ein. Und zu einer Einsicht wie „persönliche und fachliche Qualifikation prädestinieren mich“ würde ich hinsichtlich der Kandidatin doch lieber selber kommen. Von einer gewissen Kamikazehaltung zeugt es immerhin, aber auch jeden Absatz des Anschreibens mit Formulierungen zu beginnen wie: „Ich will auch nicht verschweigen“, „Dabei scheint mir weniger von Bedeutung“ oder „Ich möchte Sie nicht darüber im Unklaren lassen“. Auch ein Hinweis, der da lautet „dieser Lebenslauf ist sehr unkonkret“, taugt bestenfalls als Anwärter für eine Sammlung berühmter letzter Worte. Und wer schreibt: „Wie Sie Schreiben, suchen Sie einen Germanisten“, darf sich nicht wundern, wenn dem Leser doch leichte Zweifel kommen. Dringend abzuraten ist von dreiseitigen Elaboraten, die in zugegeben luzider Prosa – „selbst einen kleinen verwaisten Friedhof hatten wir dort“ – wenig mehr als ein umfassendes Bild vom Dasein in der südniedersächsischen Provinz vermitteln. „Ich erwarte somit in Bälde aufschlußreichere Informationen über die Art der Arbeit sowie, natürlich, deren Vergütung“, mag als Schlußsatz gut geschmettert wirken, löst bei mir aber keineswegs den doch wohl angestrebten Wunsch nach näherer Bekanntschaft aus. Überzeugt hat mich schließlich – nach allerlei selbstangemerkten Einschränkungen – der schlichte Satz „nichtsdestotrotz ist mein Interesse groß, und ich würde mir die Arbeit zutrauen.“
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