: Lustvoller Umgang mit Defiziten
■ Die Mission hat endlich eine neue Unterkunft gefunden
Das Projekt Mission ist gerettet – und unter allseitigem Lob institutionalisiert: Die Vermischung sozial abgegrenzter Bereiche, die als Performance des Theaterwirblers Schlingensief im Oktober 1997 begann, hat nun wieder ein festes Obdach, und erstmalig zahlen die Kultur- und die Sozialbehörde jeweils zur Hälfte die Mietkosten.
Das „Kombinat für Kunst und Suppe“ ist zwar ärgerlich über die „Vertreibung“ vom Hauptbahnhof, wo die Sprinkenhof AG die kostenlose Überlassung einer Unterkunft Ende September beendet hatte, nimmt den neuen Ort aber gerne. Die gerade erst für Kunstpräsentationen hergerichteten Räume wurden kurzfristig der Galeristin Ruth Sachse gekündigt. Um die noch junge Historie der Mission zu dokumentieren, wird der Galeriename neben dem anspruchsbewahrenden Titel „Mission am Hauptbahnhof“ erhalten bleiben, und eine Zusammenarbeit ist geplant.
Ist diese Mischung von Exhibition und Hilfe, von Kunst und Leben, dieses auf Dauer gestellte Ergebnis Schlingensiefscher Aktionen zwischen Landessozialamt, Piek-As-Asyl und Springer-Konzern nun vorbildhaft für die neue Republik? Oder hat dies Bestreben „den Rand in die Mitte zu holen“ (Sozialsenatorin Karin Roth) nicht auch jenen seltsamen Beglückungsanspruch, der schon anderswo nur nervt? Auch daß die Fachbehörden aus ihren knappen Etats Mieten an stadteigene Firmen zahlen – hier ist die Sprinkenhof AG ebenfalls Besitzer – ist ein übliches, aber trauriges Spiel. Das aber sichert den Raum für weitere unbezahlte Arbeit, deren Gewinn die wenig vermögenden Künstler mit den ganz Unvermögenden teilen dürfen. Doch der lustvolle Umgang mit Defiziten, das wachsame Auge auf die öffentlichkeitsfeindlichen Veränderungen rechtfertigen jede Unterstützung für die Weiterentwicklung dieses Projekts.
Hajo Schiff
Sonntag: Umzug vom Schauspielhaus zur neuen Mission mit Möbeln, Tuba und Posaune (15 Uhr), Eröffnungsparty mit Schauwienold & Grawert, Buntspecht und Dr. Love Power (20 Uhr).
Mission: Kaiser-Wilhelm-Str. 81. Ab 8. November: Di – So, 15 – 22 Uhr; Mi – So, 18 Uhr Essen, ab 20 Uhr Programm. Tel.: 280 51 462
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