: Schavan – kämpferisch, katholisch und kühl
■ Annette Schavan soll eine von vier Stellvertretern an der CDU-Spitze werden. Die Kultusministerin profilierte sich im baden-württembergischen Kopftuchstreit. Sie gilt als Ziehkind Erwin Teufels
Stuttgart (taz) – Die 43jährige profiliert sich in Stuttgart manchmal auch gegen die CDU-Fraktion. Sie machte Schlagzeilen mit Schulreform und Kopftuchstreit: Annette Schavan, die Kandidatin für die CDU-Männerriege, war schon einmal eine Überraschung. Die baden-württembergische Kultusministerin war bei ihrem Amtsantritt 1995 eine jener von Ministerpräsident Erwin Teufel an der Partei vorbei protegierten Frauen, die im Ländle auch „seine Mädle“ genannt werden.
Annette Schavan profilierte sich in Stuttgart in diesem Jahr geschickt in der Osterpause. Sie bekam Schlagzeilen, als sie ankündigte, die gymnasiale Oberstufenreform wieder zurückreformieren zu wollen, notfalls im Alleingang gegen die Kultusministerkonferenz. Sie wolle weg vom Kurssystem, wieder hin zur Klasse, weniger Wahl- und mehr Pflichtfächer. Die Fraktion schäumte, während Schavan genüßlich auf die öffentliche Zustimmung der eigenen Klientel verwies. Sie baute außerdem die Modellversuche der „Turbo“- Gymnasien aus, an denen das Abitur bereits nach zwölf Schuljahren erreicht werden kann. Furore machte sie auch im „Kopftuchstreit“, als sie eine Muslimin zum Referendariat im Schuldienst zuließ.
In einer parteiübergreifend gelobten Rede begründete sie dann, warum sie diese Frau im Einzelfall dann doch nicht in den Staatsdienst übernommen habe. Die Erziehung zur Toleranz erfordere es auch von der Bewerberin, diese selbst vorzuleben. Etliche CDUler hatten von ihr ein generelles Kopftuchverbot verlangt. Baden-Württemberg, lehnte sie dieses Ansinnen ab, werde „kein kopftuchloses Land“ werden. Ministerpräsident Teufel stärkte ihr damals den Rücken. Schavan setzte sich außerdem, ebenfalls parteiübergreifend, für die teilweise Trennung des Schulunterrichts von Jungen und Mädchen in den naturwissenschaftlichen Fächern ein. Annette Schavan, im rheinländischen Jüchen, Kreis Neuss, geboren, studierte Erziehungswissenschaft, Theologie und Philosophie und promovierte mit einer Dissertation über die Gewissensbildung. Ihre Parteikarriere begann sie in der Jungen Union, war Bundesgeschäftsführerin der CDU-Frauen-Union und Familienpolitikerin. Seit 1994 leitete sie als erste Frau die Bischöfliche Studienförderung Cusanuswerk. Damit war sie eine der ganz wenigen Frauen, die Priestern Weisungen erteilen durften. 1994 wurde sie Vizepräsidentin des Zentralkomitees Deutscher Katholiken und war Landtagswahlkämpferin im niedersächsischen Schattenkabinett. In dieser Zeit wurde sie angegriffen, weil sie nicht verheiratet ist. Schavan gilt als aufgeklärte Katholikin und wurde früher dem Kreis um Heiner Geißler und Rita Süßmuth zugerechnet. Sie profilierte sich intern als gemäßigte Frauenpolitikerin, die ihre Forderungen in kühle Argumente verpackt und dabei eine geübte Taktikerin ist. Heide Platen
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