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■ Die SPD entschied: Johannes Rau soll Bundespräsident werdenMit halbem Herzen

Wenn kein Wunder geschieht, dann wird Johannes Rau im Mai 1999 zum neuen Bundespräsidenten gewählt. Niemand ist so richtig glücklich mit dieser Wahl, niemand ist so richtig entsetzt darüber. Entscheidend war, daß die SPD-Spitze dem verdienten Sozialdemokraten versprochen hatte, daß dieser seinen „Lebenstraum“ (Rau) verwirklichen könne. Man mag so viel Loyalität gegenüber einem politischen Rentner loben – aber reicht das aus, um diesen Entschluß zu rechtfertigen?

Daß die Sozialdemokaten unbeirrt an Rau festhalten und nichts von einem Ostdeutschen und nichts von einer Frau wissen wollen, hat auch einen machttaktischen Hintergrund. Rau verkörpert wie kaum ein zweiter die Mitte der SPD. So wird er jene Figur sein, in der sich die SPD stets wiedererkennen wird. Anders als in Bundeskanzler Schröder, dessen im Wahlkampf zur Schau getragene Parteiferne nur vorübergehend verschwunden ist. Ein Bundespräsident Rau wird der sozialdemokratischen Seele über manches Ungemach hinweghelfen, das ihr Schröder bereiten wird, und über manche soziale Zumutung, um die auch Rot-Grün nicht herumkommen wird. Auch dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden. Aber ist dies ein ausreichender Grund, um ihn zu nominieren?

Johannes Rau ist ein Mann des Ausgleichs, stets ausgewogen im Urteil. Er verkörpert die alte Bundesrepublik; ihren Pragmatismus, ihre Fähigkeit zur Integration und ihre Neigung, darin Kohl nicht unähnlich, zum mittleren Maß. Diese Eigenschaften sind nicht gering zu schätzen. Wer das Geschwätz, daß mit Rot- Grün in Berlin eine Art „linker Wilhelminismus“ am Horizont sichtbar würde, ernstgenommen hat, darf nun beruhigt ins Kissen sinken. Rau ist nicht links, und alles Zackige ist ihm fremd. Wer also Angst vor einer neudeutschen nationalistischen Rhetorik hat, den wird diese Wahl beruhigen.

Trotzdem: Als politisches Symbol weist diese Wahl in die Vergangenheit. Die rot-grüne Regierung wird nicht müde, die Kontinuität ihrer Arbeit zu betonen – Raus Nominierung fügt sich in diese Linie ein. Daß sich Rau in der SPD unangefochten durchsetzte, lag auch an den schwachen Argumenten jener, die andere bevorzugt hätten. Die Alternativkandidaten wurden stets als Quotenkandidaten ins Gespräch gebracht. Quote – das roch nach formalisierter Gerechtigkeit und einem Proporzdenken, das gerade beim Job des Bundespräsidenten fehl am Platz ist.

Rau, der so irritierend verbissen um seine Nominierung kämpfte, wird kein schlechter Bundespräsident. Und trotzdem ist die SPD damit meilenweit hinter ihren Möglichkeiten geblieben. Stefan Reinecke

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