piwik no script img

Ein ungewöhnliches Tribunal über die Berliner Polizei

■ Innenausschuß debattiert fremdenfeindliche Vorfälle bei Polizei: Tendenz oder Einzelfälle?

Rassismus in der Berliner Polizei? Gibt es bei den hauptstädtischen Ordnungshütern eine Tendenz zur Fremdenfeindlichkeit? Oder handelt es sich bei bekanntgewordenen Fällen von Fehlverhalten nur um Einzelfälle? Ein ungewöhnliches Tribunal über die Polizei tagte gestern im Preußischen Landtag. Der Innenausschuß des Abgeordnetenhauses hatte auf Antrag der SPD zum Thema „Fehlverhalten der Polizei gegenüber Personen nichtdeutscher Herkunft“ geladen.

„Ich sehe keine Tendenzen von fremdenfeindlichem Verhalten bei der Berliner Polizei“, nahm Polizeipräsident Hagen Saberschinsky seine BeamtInnen in Schutz, „aber man muß Einzelfälle konstatieren.“ „Bei mir stapeln sich die Einzelfälle“, entgegnete die PDS-Innenpolitikerin Marion Seelig.

Auf Betreiben des innenpolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Hans-Georg Lorenz, hatte der Innenausschuß zwei BerlinerInnen nichtdeutscher Herkunft geladen, die über ihre Erfahrungen mit der hiesigen Polizei berichten sollten. Ausführlich schilderte Krystalli Spanaki, eine griechische Jura-Studentin, wie sie wegen des falschen Verdachts, einen gefälschten Paß zu besitzen, über Stunden festgehalten worden sei. „Am 7. August war ich bei der Ausländerpolizei, um meinen Aufenthalt zu verlängern“, berichtete sie. Nach längerem Warten sei sie plötzlich im Dienstzimmer an die Wand gedrückt und abgetastet worden. Ein Telephonat wurde ihr verweigert, Angehörige nicht informiert. Sie wurde in die U-Haftzelle gebracht, mußte sich völlig entkleiden und wurde untersucht. Nach drei Stunden hätte man ihr gesagt, ihr Paß sei in Ordnung. Zu guter Letzt wurden ihr noch Fingerabdrücke abgenommen.

Der Polizeipräsident räumte gestern ein, er müsse „den Fall so bestätigen“. Nicht alle Punkte im Verhalten der Beamten entsprächen „den Vorstellungen“. Auch Innenstaatssekretär Kuno Böse räumte Fehler ein. In einem solchen Fall solle nichts unter den Teppich gekehrt werden, aber eine Tendenz zur Fremdenfeindlichkeit könne man daraus nicht stricken. Die Debatte sei deshalb eine Vorverurteilung und gleiche einem Tribunal. Dem pflichtete der CDU-Innenpolitiker Roland Gewalt bei, der den Fall zwar als „aufklärungsbedürftig“ befand. Doch müsse man „zwischen Einzelfall und einer Tendenz trennen“.

Ganz anders beurteilen der Koalitionspartner SPD und die Opposition von PDS und Bündnisgrünen die Lage in der Polizei. Lorenz sagte, ihm seien zunehmend solche Fälle bekannt. „Das ist eine Entwicklung, die mich mit großer Sorge erfüllt“, so Lorenz. „Eine Stadt, die davon leben wird, multikulturell zu sein – wie alle Weltstädte –, muß auch eine Polizei haben, die sich dieser Herausforderung ganz bewußt stellt.“ Der innenpolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Wolfgang Wieland, nannte Krystalli Spanaki eine „Vorzeigeausländerin“. „Einem männlichen Libanesen oder einem Rom muß man in so einem Fall ja noch sagen, ,sei froh, daß du nicht verprügelt wurdest‘“. Innenverwaltung und Polizei müßten endlich aufhören, „wie Anrufbeantworter zu wiederholen: ,kein Rassismus in der Berliner Polizei‘“. Ohne mehr ImmigrantInnen im Polizeidienst und einer Fortbildung der BeamtInnen würde sich das Problem nicht lösen lassen.

Die Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU) betonte gestern, der vorgetragene Fall müsse zu einer Rüge führen, auch wenn aus ihm nicht abgeleitet werden könne, daß es die Spitze eines Eisbergs sei. „Aber eine Rüge ist sinnlos, wenn nicht stärker an der Qualifizierung der Beamten gearbeitet wird.“ Barbara Junge

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen