: Das Ende der Denkpause
Kommenden Montag beginnt die Asbestsanierung im Palast der Republik. Die Entscheidung über seine Zukunft drängt. Noch ist alles möglich: Rekonstruktion, Abriß, Umbau ■ Von Manuela Thieme
Das Geschirr wird längst in Antiquitätenläden angeboten, die Wandgemälde wurden von Museen übernommen, das Mobiliar wird in diversen Speichern zwischengelagert. Acht Jahre sind seit der Schließung des Palastes der Republik inzwischen vergangen. Dem Asbestalarm folgte der vorläufige Ruhestand. Anfang nächster Woche geginnt jetzt nach langer Denkpause die Asbestsanierung – 28 Monate sind dafür vorgesehen. In der Zwischenzeit muß nun definitiv die Zukunft des Gebäudes geklärt werden. In einer Mischung aus Ratlosigkeit und Verweigerung wurde bisher eine Entscheidung immer wieder aufgeschoben. Nicht der Asbest war das Problem, sondern zum einen wohl die umstrittene Geschichte des Hauses, die alles andere als eindimensional ist, und zum anderen die etwas sperrige Größe, für die sich bislang keine rentable Betreiberidee gefunden hat.
Der neue Bundeskanzler Gerhard Schröder, demnächst prominenter Nachbar auf dem Areal, ist jedoch tatendurstig. Vor der Wahl hat er in einem Brief an die ehemaligen Palast-Mitarbeiter versprochen, für eine „baulich vernünftige, historisch angemessene und bezahlbare Lösung“ zu sorgen. Er sei gegen das „Plattmachen“ von allem, „was mit der DDR zu tun hatte“.
Errichtet am Standort des ehemaligen Kaiserschlosses, war der Palast für die SED-Spitze um Honecker der steingewordene Traum vom „Haus des Volkes“. 1976 wurde er nach nur dreijähriger Bauzeit eröffnet. Das Nebeneinander von Parlamentssitz, Veranstaltungsort und Amüsierbetrieb verstand sich zugleich als Konzept. Dafür war nichts zu teuer. Nicht nur der verwendete Spritzasbest hatte damals Weststandard. Noch heute loben Experten die Hebebühne im großen Saal „als ingenieurtechnisches Kunstwerk“.
Wegen seiner verschwenderischen Beleuchtung von den einen liebevoll „Erichs Lampenladen“ genannt, fanden andere den inszenierten Glanz zwiespältig, genauer: „Palazzo Prozzo“-mäßig. Doch der Bau, der von außen den Charme eines Schuhkartons hat, war immer ein Besuchermagnet. Restaurants und Cafés erlebten einen Daueransturm, genauso wie Kulturspektakel, Diskothek und Bowlingbahn. Hier wurden Familienfeste gefeiert, Olympiasieger empfangen, Parteitage zelebriert.
Als Parlamentssitz machte der Palast allerdings erst nach der Wende Furore. In diesem Haus wurde unter anderem über den Einigungsvertrag abgestimmt. Seit der jähen Schließung ist das Bauwerk dann in Endlosdebatten x-mal abgerissen und genauso oft verteidigt worden: Ex-Ministerpräsident Lothar de Maizière hoffte, daß „wenigstens eine Messingtafel“ zu Ehren der letzten Volkskammer angebracht würde, der frühere Berlin-Marketing- Mann Wilhelm von Boddien geißelte die „architektonische Scheußlichkeit“. Bürgermeister Eberhard Diepgen plädierte für einen Rückbau bis auf „Zahnstocher“-Niveau, Bürgerrechtler Konrad Weiß konterte empört: „Reißt die Paulskirche ein!“
Doch das Duell Palastbewahrer contra Schloßbefürworter wird wohl ohne Sieger bleiben. Es mehren sich die Stimmen, die von einem zeitgemäßen Mix aus beiden Vorlagen sprechen. Daraus möge dann „etwas ganz Neues“ werden, so Bundespräsident Roman Herzog im Frühjahr. Von Wolfgang Thierse bis Rita Süssmuth sind auf einmal die allermeisten für eine Kombinationslösung. Die Asbestsäuberung läßt jede Option offen: Rekonstruktion, Abriß oder Umbau. Für 1999 ist der Architektenwettbewerb angekündigt. Bei den Nutzungsvorgaben ist manches im Gespräch: Konferenzzentrum, Hotel, Bibliothek und Einkaufspassagen. Doch es muß sich nicht nur jemand finden, der das Ganze bauen, sondern auch bezahlen will. Der Bund und das Land Berlin haben jedenfalls schon erklärt, daß sie sich nicht an den Investitions- und Unterhaltskosten beteiligen wollen.
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