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Polizei filzt Polizisten

■ Razzia bei kritischem Beamten Thomas Wüppesahl wegen verschwundener Akten

Der Kriminalbeamte und frühere grüne Bundestagsabgeordnete Thomas Wüppesahl ist im Polizeiapparat manchem ein Dorn im Auge. Er prangerte schon häufig Mißstände an und scheut sich nicht, gegen unkorrekte oder korrupte Beamte Dienstaufsichtsbeschwerden und Strafanzeigen zu schreiben. Nur wenige Tage nach seiner Wahl zum Sprecher der „Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer PolizistInnen“ und unmittelbar vor seiner Beförderung zum Kriminalhauptkommissar filzten am Dienstag BeamtInnen des „Dezernats Interne Ermittlungen“ (DIE) Wüppesahls Diensträume und – ohne Durchsuchungsbefehl – sein Haus.

Sie suchten, so die Begründung, nach 72 Polizeiakten, die im April 1997 in Wüppesahls Dienststelle des Landeskriminalamts (LKA 234) abhanden gekommen waren. Sein Dezernat „Organisierte Kriminalität“ bearbeitet Autodiebstähle und -schiebereien. Gegen Wüppesahls damaligen Kollegen wurden seinerzeit Ermittlungen eingeleitet, jedoch nach kurzer Zeit eingestellt.

Dorthin war der kritische Polizist 1996 „strafversetzt“ worden, nachdem er in einem Brief an LKA-Chef Wolfgang Sielaff die Unterbesetzung in seiner ehemaligen Dienststelle für Wirtschaftskriminalität angeprangert hatte. Dieser Brief war der Presse zugespielt worden.

Daß es der Polizei bei der Hausdurchsuchung nach über zwei Jahren nicht um das Auffinden der Akten gegangen sei, zeigt nach Auffassung Wüppesahls der „Dilettantismus“ des DIE. „Ich habe im Keller ein großes Archiv mit vielen Akten, das hat sie gar nicht interessiert“, berichtet er. Statt dessen durchwühlten neun FahnderInnen im Beisein eines Staatsanwalts stundenlang sein Arbeitszimmer und das seiner Freundin. Sie beschlagnahmten Korrespondenz mit der Innenbehörde, Dokumente aus seiner politischen Arbeit für die Grünen sowie seinen Computer. Die fraglichen 72 Akten fanden sie nicht.

Für Wüppesahls Anwalt Peter Wulf, der gegen die Razzia Rechtsmittel eingelegt hat, ist das Vorgehen „eine Art Kriminalpolitik, die man nur als Skandal bezeichnen kann“. Innenbehördensprecher Christoph Holstein sieht das gelassen: „Das war rechtlich einwandfrei.“ Kai von Appen

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