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Soundcheck

Morgen vormittag und abend: The Original Five Blind Boys Of Mississippi. Wenn diese betagten Jungs in die Stadt kommen, sollte unbedingt eine Ambulanz neben dem Curio-Haus geparkt werden. Bei den Original Five Blind Boys Of Mississippi sollen die Erweckten reihenweise in Ohnmacht fallen. Lead Singer Sandy Foster, der dem legendären Gospel-Ensemble seit 1971 angehört, behauptet jedenfalls: „Wenn ich singe, kommt der Heilige Geist in mich, und ich übertrage ihn auf die Zuhörer.“ Das sorgt in den USA nun schon seit über einem halben Jahrhundert für Massenhysterien, lange vor Woodstock sangen die Boys mehrere Zehntausend in einen kollektiven Rausch. Ganz ohne Drogen, versteht sich. Zum Beispiel 1955, als sie im Football-Stadion von Dallas ein Duell gegen die Konkurrenz der Blind Boys Of Alabama durchführten. Um in einen ähnlich göttlichen Rausch zu kommen, finden wir uns am Sonntag nach dem Kirchgang im Curio-Haus ein. cbu

Sonntag, 11.30 Uhr und 20 Uhr, Curio-Haus

Gehört: Värttinä. Warum man Tour für Tour Värttinä in der Markthalle und nicht in der heimeligen, finnischen Seemannskirche verortet, wird ein Rätsel bleiben. Man ist doch unter sich! Links die stets interessierte Honorarkonsulin, rechts die steifen Herren von der Deutsch-Finnischen-Gesellschaft. Dazwischen das engumschlungene Paar in der Regenkombi und den unverwüstlichen Trekking-Boots. Ein Familienfest also, mit Küßchen und der Tendenz zu einer gewissen Ausgelassenheit.

Denn was die vier Sangeskünstlerinnen Susan, Mari, Kirsi und Janne samt ihrer männlichen Begleiter boten, das war schon solideste Kost. Bewährtes wie neues Material, vom sad song über's Hochzeitslied bis zur Klage über die ausbleibende Schwangerschaft, stimmlich stark umgesetzt und dezent tänzelnd vorgetragen. Allein diese Hosenanzüge! Besonders gefiel, wie die Band Stücke ihrer aktuellen und allzu geglätteten CD VIHMA anrauhte und in einer erdig-getränkten Form präsentierte. Eckige Live-Mucke statt steril abgemischtem Einerlei. Soll noch einer Konzertkarte mit CD-Preis abwägen.

So war das Publikum begeistert, die Band zufrieden, zum Abschluß gab es Blumen. Nur schade, daß zwischendurch keine Schnittchen mit Rentierschinken gereicht wurden. Frank Keil

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