: Bundesbank senkt überraschend die Leitzinsen
■ Konzentrierte Aktion mit anderen Euro-Ländern, Europabank fühlt sich nicht düpiert
Berlin/Frankfurt (taz/rtr/dpa) – Der Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank hat gestern einen von drei Leitzinsen von 3,3 auf 3,0 Prozent gesenkt. Zu diesem Satz werden die vier nächsten Wertpapierpensionsgeschäfte mit der Kreditwirtschaft ausgeschrieben. Dabei leihen sich die Banken eher kurzfristiges Geld bei der Zentralbank und hinterlegen als Sicherheit Staatsanleihen aus ihren Depots. Jedes dieser Geschäfte brachte zuletzt im Schnitt zwischen 60 und 80 Milliarden Mark neues Geld in den Wirtschaftskreislauf.
Die Zentralbanker haben dabei nicht nur die deutschen Experten überrascht, es handelt sich vielmehr um eine koordinierte Aktion, bei der laut Bundesbank-Präsident Hans Tietmeyer auch die Europäische Zentralbank konsultiert wurde. Frankreich und Spanien hatten den Leitzins ebenfalls um drei Basispunkte auf 3,0 Prozent gesenkt. Auch die Niederlande, Belgien und Finnland haben sich angeschlossen. Die Zentralbanker begründeten ihren Schritt mit der schwächeren Konjunktur in der EU. Auch die Inflationserwartungen seien günstig.
Tietmeyer sah in der Zinssenkung keine Bevormundung der Europäischen Zentralbank. Die soll Anfang 1999 die Kontrolle über den Euro und damit über die Zinsen in den elf Ländern der Europäischen Währungsunion übernehmen. Tietmeyer meinte, nach intensiven Analysen habe sich gezeigt, daß eine „weitere koordinierte Zinssenkung angezeigt ist, um das Niveau der Notenbankzinsen zum Anfang der Währungsunion auf 3,0 Prozent herunterzuschleusen“.
EZB-Präsident Wim Duisenberg sagte gestern vor dem beratenden Wirtschafts- und Sozialausschuß der Europäischen Union in Brüssel, die EZB werde „ihr Äußerstes tun, um zu helfen, eine Lösung für dieses Problem“ Arbeitslosigkeit zu finden. Geldpolitik könne aber nur dann eine Rolle beim Abbau der Arbeitslosigkeit spielen, wenn Produktion, Beschäftigung und Inflation sich im Gleichklang entwickelten. Grundsätzlich sei die Rolle der Geldpolitik beschränkt, da die hohe Arbeitslosenquote ihren Grund zumeist in strukturellen Problemen habe. rem
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