piwik no script img

■ Kofi Annan reist ohne konkrete Ergebnisse aus Libyen abGeduldiges Warten in der Wüste

Nur wenige würden sich trauen, einen UN-Generalsekretär Stunden in der Wüste stehenzulassen – schon gar nicht Regenten international isolierter Staaten, die sich von ihrem Gast die Aufhebung eines UN- Embargos erhoffen. Libyens Revolutionsführer tut es dennoch – und das Oberhaupt der internationalen Gemeinschaft greift nicht etwa empört nach den Koffern, sondern wartet geduldig auf Audienz.

Kofi Annans Resistenz gegenüber der unverschämten Inszenierung Muammar Gaddafis zeigt, wie ernst es ihm ist, die Lockerbieaffäre aus der Welt zu schaffen. Zwar sind die Folgen der seit 1992 gegen Libyen verhängten UN-Sanktionen längst nicht so gravierend wie das Irak-Embargo. Jedoch steht außer Zweifel, daß die libysche Bevölkerung zu Unrecht leidet. Einigen der Protagonisten scheint zehn Jahre nach dem Lockerbieattentat der eigentliche Sinn des internationalen Drucks auf Libyen in Vergessenheit geraten zu sein. Das Embargo werde wohl so lange in Kraft bleiben, wie Gaddafi in Tripolis an der Macht sei, hieß es bis vor kurzem unter Diplomaten in der libyschen Hauptstadt. Klammheimlich hatte vor allem die US-Regierung die Sanktionen umgewidmet. Anstatt die Auslieferung der beiden angeblichen Attentäter zu erzwingen, sollten sie den unberechenbaren Staatschef schwächen – ihn womöglich gar vom Thron verjagen.

Dieser – ähnlich wie am Fall Irak – Verwischung des Zieles der UN-Sanktionen tritt Annan entgegen. Mehrfach hat Gaddafi angeboten, die angeblichen Attentäter vor ein neutrales Gericht zu stellen. Welcher andere Staatschef würde seine eigenen Geheimdienstler ausliefern? Zumal er befürchten muß, daß diese ihre Auftraggeber benennen werden, also womöglich ihn selbst. Dieses Dilemma erklärt Gaddafis zahlreiche Rückzieher. Doch Annan hat sich für die Taktik entschlossen, den Oberst unbedingt beim Wort zu nehmen. Das Ziel ist es wert. Schließlich könnte ein Prozeß gegen die beiden beschuldigten Libyer Aufschluß darüber geben, wer tatsächlich für den Tod von 270 Menschen verantwortlich ist. Libyens Schuld ist längst nicht bewiesen. Zum Teil glaubwürdige Gerüchte kursieren, wonach auch Iran und/ oder Syrien sowie diverse Geheimdienste in den Anschlag verwickelt sein sollen. Eine Aussage der beiden Libyer vor einem internationalen Gericht trüge mehr zur Wahrheitsfindung bei als die Aufrechterhaltung des UN-Emargos auf unabsehbare Zeit. Das ist schon einige Stunden des Wartens in der Wüste wert. Thomas Dreger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen