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„Die Wissenschaft ist am Ende“

■ AKW Krümmel: Leukämiekommission fordert die Selbstauflösung. Minister Möller kritisiert Schmitz-Feuerhake

Die Leukämiekommission zur Aufklärung der gehäuften Blutkrebs-Fälle um das Atomkraftwerk Krümmel bei Geesthacht an der Unterelbe sollte nach Ansicht ihres Sprechers Prof. Erich Wichmann aufgelöst werden. „Trotz intensiver Forschung mit zehn Millionen Mark haben wir nichts feststellen können, was die Sache erklärt“, sagte Wichmann in einem Beitrag des ARD-Magazins Panorama, der gestern abend ausgestrahlt werden sollte.

Die Polarisierung der Mitglieder in der Kommission sei zu groß und die Bereitschaft, wissenschaftlichen Argumenten zu folgen, zu klein, beklagte Wichmann. „Eine fruchtbare Arbeit ist dort seit Jahren nicht mehr möglich.“

Das niedersächsische Sozialministerium sprach sich gegen die Auflösung der Kommission aus. Sprecherin Andrea Weinert betonte aber, das Gremium könne nicht die politische Frage klären, ob das Atomkraftwerk südöstlich von Hamburg abgeschaltet werden sollte. Die wissenschaftliche Diskussion über Ursachen für die Häufung von Leukämie-Fällen in der Nähe von Krümmel sei in der jüngsten Zeit durch die politische Debatte überlagert worden. Dadurch habe die Wissenschaft auch an Glaubwürdigkeit verloren.

„Die Wissenschaft ist am Ende“, erklärte Kommissions-Sprecher Wichmann. Die auffällige Häufung von Blutkrebs in der Nähe des Kernkraftwerkes sei real und lasse sich nicht wegdiskutieren. Der Epidemiologe erhob gegen andere Wissenschaftler des Gremiums, das von Niedersachsen und Schleswig-Holstein eingesetzt wurde, deutliche Vorwürfe. „Wenn man aus der Atomenergie aussteigen will, gibt es dafür gute Gründe, aber es geht nach hinten los, wenn man die Kinder in der Elbmarsch für diesen Zweck instrumentalisiert.“

Mehrere Wissenschaftler in der Leukämie-Kommission sehen nach wie vor den Atommeiler Krümmel als Ursache für die vielen Blutkrebs-Fälle bei Kindern in der Elbmarsch. Erst kürzlich hatte die Bremer Physikerin Prof. Inge Schmitz-Feuerhake behauptet, die Umgebung des Atommeilers sei mit Reaktorplutonium kontaminiert. Ihre Untersuchung wurde von anderen Fachleuten als wissenschaftlich nicht haltbar zurückgewiesen.

Der Kieler Energieminister Claus Möller (SPD) distanzierte sich gestern im Landtag von Schmitz-Feuerhake. Dies sei nicht ihre erste Expertise, „die wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen ist“. Die Arbeit der Physikerin „vermittelt nicht gerade den Eindruck höchster wissenschaftlicher Seriosität“, meinte Möller. lno/taz

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