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„Verunstaltung der Fassade“

■ Eppendorf: Streit um Anti-Scientology-Plakate am Balkon Von Uli Baumgärtner

„Scientology nein danke“: Die Protest-Transparente der MieterInnen in der Breitenfelder Straße 56-62 in Eppendorf gegen den US-Psycho-Sektenkonzern hält die Hauseigentümerin Breitenfelder Straße 56-62 Immobilienverwaltung GmbH für eine „Verunstaltung der Fassade“. Gegen zwei Mieter, die sich weigern, die Plakate von den Balkonen abzuhängen, beantragte der Vermieter deshalb einstweilige Verfügungen vor dem Hamburger Amtsgericht.

„Die Transparente sind nichts weiter als ein Ausdruck des Widerstands gegen eine kriminelle Vereinigung, die die Demokratie unterhöhlt“, beruft sich der Vertreter der Mieter auf die Meinungsfreiheit. Auch Jürgen Twisselmann, Jurist bei Mieter helfen Mietern, ist „erstaunt“ darüber, mit welcher Heftigkeit die Vermieter auf Äußerungen reagieren, die sie nach eigenen Angaben gar nicht betreffen: Eidesstattlich versicherte Geschäftsführer Otmar Hinsen, weder Scientologe zu sein noch mit der Sekte, die er selbst als „Scientology Kirche“ bezeichnet, zusammenzuarbeiten.

Diesen Verdacht jedoch hegen nicht nur MieterInnen: Nach Zeugenaussagen soll Hinsen den Schriftsatz der Verteidigung mit den Worten „Heil Hitler“ kommentiert, sein Anwalt Klaus Dirksen von Verleumdungen „wie im Dritten Reich“ gesprochen haben. Äußerungen, die für Scientology-Sympathisanten als typisch gelten. Der Schriftsatz enthielt jedoch keinerlei Aussagen über die Vermieter, sondern stellte darauf ab, daß sich die Transparente gegen Scientology richteten. Twisselmann: „Wir haben kein Verständnis dafür, wenn der Vermieter sich mit seinem Vorhaben gegen die Mieter schützend vor den Scientology-Konzern stellt.“

Denkwürdig auch: Die Mitarbeiterin der Grundstücksgesellschaft „Standard Rothenbaum“ – sie soll die geplante Umwandlung der 32 Wohnungen in Eigentumswohnungen für die Breitenfelder Straße GmbH abwickeln – wird vom Mieterverein zu Hamburg zum Scientology-Umfeld gerechnet.

Die GmbH, die die Häuser bereits Ende 1994 erwarb, beanstandete die seit Februar hängenden Transparente erst vor wenigen Wochen, was nach Auffassung von Juristen die „Eilbedürftigkeit“ in Frage stellt: Mit Schreiben vom 12. September – die GmbH war seit sechs Tagen als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen – wurde den MieterInnen erstmals mit Klage gedroht, falls sie die Transparente nicht entfernten. Wenige Tage vor Verhandlungsbeginn wurden zwei Transparente nach Angaben einer Augenzeugin von „zwei Männern im hellen Trenchcoat“ abgerissen.

Während sich eine Mieterin und die GmbH vor Gericht darauf einigten, das Transparent bei Übernahme der Prozeßkosten durch den Vermieter abzunehmen, will der zweite Mieter sein „Recht auf freie Meinungsäußerung“ weiterhin durchsetzen. Mit dem Urteil wird am 18. Oktober gerechnet.

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