: Der Marsch durch offene Türen
■ Der Autor Dietrich Schwanitz und das zweifelhafte Vergnügen, kein Gutmensch zu sein
Daß sich der schriftstellernde Anglistikprofessor Dietrich Schwanitz zum Bubis-Walser-Twist äußert und sich dabei auf Walsers Seite schlägt, paßt ganz gut zu ihm. Diese Parteinahme gesellt sich zu seinem Spott über die „Gutmenschen“ und dem Dauerversuch, sich gegen vermeintliche Tabuisierungen zu stemmen.
Es findet allerdings auch seinen Bezug im literarischen Werk des Bestsellerautors. Um dafür zu werben, war Dietrich „Der Campus“ Schwanitz am Montag abend zur Lesung ins Café Ambiente gekommen. Er las dabei einige Kapitel aus „Der Zirkel“. Darunter auch den Abschnitt, in dem er seinen Protagonisten gegen das „Wörterbuch des Gutmenschen“ polemisieren läßt – gegen eine Gedenksprache, die, wie er später erklärte, nicht mehr geeignet ist, ihren Zweck zu erfüllen, sondern nur Langeweile erzeugt. Und etwas ähnliches hatte ja auch Walser wohl gemeint.
Schwanitz gestaltet diese Passagen durchaus mit komödiantischen Fähigkeiten, was sicher zu seinem Erfolg beiträgt. Daß seine Absichten sich wiederum von denen der so beschimpften Gutmenschen nicht unterscheiden, will sein Publikum nicht einsehen. Es ist ja auch herrlich, sich dem einfachen, besser: dem anderen Moralisten überlegen und selbst im Recht zu fühlen.
So rennt „Der Zirkel“ offene Türen ein, weil er einem Publikum die eigene Moral bestätigt. So bescheinigt der Autor zum Beispiel der Frauenbeauftragten als solcher komödiantisches Potential: Weil sie laut Schwanitz kraft Funktion den korrekten Zweck der Gleichstellung von Mann und Frau bedient, aber zu diesem Zweck Frauen bevorzugen muß, ist sie ein Opfer seines Spottes. Gleiches gilt für die alten Stasi-Seilschaften, die Schwanitz als tumbe Apparatschiks der Lächerlichkeit preisgibt. Und die Politik, so will uns der Autor auch noch weismachen, wird bei uns von den Medien bestimmt.
Das Ränkespiel, die Intrigen und die Frauenbeauftragte der Universität sind ihm Stoff für seinen durchaus unterhaltsamen Roman. Aber wenn ein Dreißigjähriger den Stuhlgang als „körperliche Schwerstarbeit“ empfindet, scheint der Autor eigene Beschwerden auf seinen Protagonisten übertragen zu haben. Und daß auch die Sexualsymbolik des Dietrich Schwanitz von einem reichlich altherrenhaften Duktus bestimmt ist, sorgt eher für unfreiwillige Komik. Seine flotten Dialoge, die auch die Verfilmung begünstigten, dürfen aber durchaus als gelungen bezeichnet werden.
Seine Fans amüsierten sich jedenfalls enorm. Und sogar als Schwanitz in der schulterklopfenden Gesprächsrunde lieber über seine Zusammenarbeit mit Sönke Wortmann bei der Verfilmung von „Der Campus“ schwadronierte, als die Frage nach Plänen zur Verfilmung seines Zweitlings zu beantworten, störte sich niemand daran. Über soviel Zustimmung kann sich ein Autor freuen. Und wo keine inhaltliche Kritik ist, da läßt es sich schwer diskutieren. Wozu auch? Lieber mal nachfragen: „Wie sind Sie eigentlich zum Schreiben gekommen?“ Oder ein paar Schwänke aus dem universitären Leben zum Besten geben. Damit war der Konsens da, den Schwanitz als zentrales Kennzeichen einer Demokratie beschreibt. Schön, wenn sich alle lieb haben. Andreas Schnell
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