Kommentar: Der Triumph Arafats
■ Clintons Besuch zeigt die Veränderungen im Nahen Osten
Noch vor wenigen Jahren haben nur wenige von uns davon geträumt. Jetzt konnte man es im TV sehen: Clinton mit Arafat unter den palästinensischen und US-amerikanischen Fahnen, Clinton im palästinensischen Parlament, Clinton unter dem Bild des Felsendoms, dem höchsten Symbol der palästinensischen nationalen Bestrebungen. Es war ein Staatsbesuch, auch wenn es offiziell nicht so hieß. Und es war Arafats persönlicher Triumph. Seit Jahren hat er geduldig einen Kurs verfolgt, der auf diesen Tag zielte. Jetzt ist er auf dem langen Marsch zum Staate Palästina einen Riesenschritt vorwärts gekommen.
Dafür kann Arafat sich bei Netanjahu bedanken. Er ist, nach Goethe, „ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“. Er war es, der Clinton nach Gaza brachte, um die schon lange abgeschaffte unselige palästinensische Charta noch einmal abzuschaffen. Die emotionsgeladene Verbrüderung zwischen den USA und Palästinensern in Gaza bedeutet eine grundlegende strategische Verlagerung im Nahen Osten.
Bis vor kurzem existierten die Palästinenser für die USA nur als Terroristen oder Flüchtlinge; US-Diplomaten war es bis 1988 verboten, mit den Palästinensern auch nur zu reden. Jetzt haben sich Clinton und Arafat angenähert, während sich die US-Beziehung zu Netanjahu täglich verschlechtert. Schon einen Tag nach Gaza brachte Netanjahu es fertig, Clinton öffentlich zu demütigen. Er weigerte sich, den weiteren Rückzug, der laut Abkommen Freitag vollzogen werden sollte, anzuordnen. Vorwände fehlen ihm ja nie.
Ein israelisches Bonmot besagt, daß Netanjahu zwischen Clinton und Klein wählen muß. Klein ist ein unbedeutender israelischer Politiker, der es zuwege gebracht hat, eine Gruppe rechtsradikaler Abgeordneter in der Knesset zu überzeugen, gegen Netanjahu zu stimmen, weil er das Abkommen unterzeichnet hat. Die Abstimmung soll am Montag stattfinden. Um sie politisch zu überleben, muß Netanjahu zeigen, daß er gar nicht daran denkt, das Abkommen auszuführen. Er ist bereit, Frieden und Beziehungen zu den USA dafür zu opfern. Scheinbar glaubt er, daß Clinton zu schwach ist, um sich zu rächen.
Ein seltsamer Zustand: Clinton ist vom Impeachment-Verfahren bedroht, Netanjahu von einer Vertrauensabstimmung. Nur Arafats Stellung ist sicherer denn je. Uri Avnery
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen