: Vergessen Sie den Euro!
Denn wenn die Einheitswährung in vier Tagen gilt, ändert sie doch nichts an Ihrem Vermögen oder Konto, an Verträgen oder erwarteten Erbschaften ■ Aus Brüssel Alois Berger
Brüssel (taz) – Es ist nicht leicht, in der Flut der Ratgeber den Überblick nicht zu verlieren. Weil der Euro rund ist, haben manche Zeitungen genau „50 Fragen zum Euro“ gestellt, andere haben „100 Antworten zum Euro“ gegeben und eine süddeutsche Zeitung wollte gleich das ganze Jahr 1998 mit einer täglichen Ratgeberspalte zum Euro anreichern. Die Serie ist dann irgendwann im Sommer eingeschlafen, was vermuten läßt, daß es doch nicht soviel zu sagen gibt.
Der Verdacht drängte sich schon bei diversen Ratgeberbeilagen auf, wo wir etwa ab Frage 37 Tips bekommen, auf die wir immer schon gewartet haben. Eine Wochenzeitung warnte zum Beispiel davor, Verträge ohne Währungsangaben zu unterschreiben: also keinen Kühlschrank für 800 ordern, sondern immer brav 800 Mark dazuschreiben, oder höchstens 400 Euro.
Die wirklich wichtigen Fragen lassen sich in sechs Punkten beantworten: 1. Bis zum Februar 2002 kann man alles, was man will, in Mark kaufen oder verlangen. Danach wird es ein bißchen komplizierter, nicht viel, aber doch soviel, daß es jetzt zu früh wäre, das alles zu erklären. Wer will Umtauschtips drei Jahre lang im Kopf herumschleppen?
2. Eine Mark wird voraussichtlich 0,51 Euro wert sein, umgekehrt wird ein Euro 1,97 Mark kosten. Ganz genau wird das erst am 31. Dezember 1998 punkt Mitternacht feststehen, was uns aber nicht beunruhigen muß, weil Einnahmen und Ausgaben im selben Verhältnis umgerechnet werden. Die Kaufkraft bleibt gleich. Wir werden nicht ärmer, leider auch nicht reicher. Wichtig ist vorerst nur, daß ein Euro über den Daumen soviel wie zwei Mark ist. Wenn Aktien, Pfandbriefe oder auch langfristige Verträge ab 1. Januar 1999 in Euro deklariert werden, nimmt man den Wert mal zwei, und schon weiß man, worauf man sich einläßt. Denn die Einschätzung, was billig und was teuer ist, werden wir im Kopf noch lange in Mark umrechnen müssen.
3. Wer es gern sieht, wenn Bankangestellte mehr arbeiten müssen, kann sein Konto sofort auf Euro umstellen lassen. Einzahlungen und Auszahlungen werden dann im selben Verhältnis umgerechnet. Das kostet nichts, es geht auch nichts verloren, bringt aber auch nichts. Man kann dann zwar in Euro überweisen, aber bis 2002 nur in Mark abheben. Vorsicht: Wer sein Euro-Konto wieder auf Mark zurückstellt, muß mit Gebühren rechnen. Die EU-Kommission hat das den Banken erlaubt, weil die Rückumstellung nicht im Sinne der Währungsunion sei.
4. Ab 1. Januar 2002 beginnt die voraussichtlich sechswöchige Umtauschfrist in Euro. Das ist das Ende der Mark, und deshalb sollte man sich das Datum unbedingt im Hundertjährigen Kalender anstreichen. Man kann sich aber darauf verlassen, daß uns alle Zeitungen rechtzeitig gegen Ende 2001 mit „50 praktischen Fragen zum Euro“ oder „100 praktischen Antworten zum Euro“ umfassend auf das Ereignis vorbereiten werden.
5. Alle Arbeits-, Miet-, Kauf- oder sonstigen Verträge, die in Mark abgeschlossen sind, gelten unbegrenzt weiter. Dasselbe gilt natürlich auch für Testamente. Sie müssen wie die Verträge nicht auf Euro umgeschrieben werden. Selbst wenn es die Mark nach 2001 nicht mehr gibt, ändert sich nichts am Wert der in DM angegebenen Beträge. Eine Mark ist 0,51 Euro. Wer 1.000 Mark Miete zahlen muß, hat ab 2002 eben 510 Euro zu zahlen. Wem ein Testament 10.000 Mark verspricht, kann ab 2002 mit 5.100 Euro rechnen. Der Umrechungskurs gilt ein für allemal.
6. Die Umstellung auf den Euro ändert nichts an unserer Vermögenssituation, unseren Einnahmen und unseren Ausgaben. Ob Löhne, Preise und Zinsen durch die Währungsunion steigen oder sinken, hängt davon ab, wen man fragt. Noch vor einem Jahr waren sich die meisten Wirtschaftswissenschaftler einig, daß der Euro weicher wird als die Mark und die Zinsen deshalb steigen werden. Statt dessen sind die Zinsen deutlich gefallen und haben den Verdacht geschürt, daß auch Wissenschaftler nur spekulieren, wenn es um die Zukunft geht. Als Faustregel gilt: Wer optimistische Prognosen vorzieht, sollte sich in den Zeitungen an die politische Berichterstattung über den Euro halten; Pessimisten werden meist auf den Wirtschaftsseiten besser bedient.
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