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No-Service, innovativ

■ Hamburgs Bücherhallen droht eine erneute Welle von Schließungen

Umdenken ist in der Stiftung Hamburger Öffentliche Bücherhallen (HÖB) gefragt: Mochte man diese bis dato mit dem Lesen in Verbindung bringen, möchte man sie in diesem Jahr vor allem für das Schönschreiben auszeichnen. Die Ergebnisse des 1997 umgesetzten Strukturkonzepts 2000-X – das im wesentlichen darin bestand, elf Bücherhallen zu schließen und trotz einiger Zusammenlegungen von Stadtteilbibliotheken zu einem Verlust von 200.000 der betroffenen 370.000 NutzerInnen führte – wurden im August dieses Jahres als voller Erfolg verbucht.

Deshalb hat sich HÖB-Vorsitzende Hella Schwemer-Martienßen gleich ans Strukturkonzept 2002-X gemacht, das die Schließung weiterer sieben bis elf Bibliotheken vorsieht. Nur, daß Frau Schwemer-Martienßen trotz großer Liebe zur Literatur den Begriff „Schließung“ nicht in ihrem Wortschatz birgt. „Standortkonzentration“ redet sie das Vorhaben schön, das ein „zeitgemäßes, d.h. innovatives Full-Service-Angebot“ garantieren soll. Partiell jedenfalls: In St. Pauli, Wilhelmsburg, Schnelsen, Stellingen, Holstenstraße, Dulsberg, Dehnhaide und Finkenwerder soll es statt dessen zeitgemäßen No-Service geben.

Noch ist das Konzept 2002-X nicht politisch abgesegnet. Daß es gerade die ärmsten Stadtteile treffen soll, macht der SPD immerhin Bauchschmerzen, weshalb gemeinsam mit der Stadtentwicklungs- und der Sozialbehörde die zu schließenden Standorte noch einmal diskutiert werden sollen. Bis dahin und auf alle Fälle gibt es erst mal Gebührenerhöhungen. Schließlich werden die 41 über das Stadtgebiet verteilten, meist ganztägig geöffneten Bücherhallen mit 27 Millionen Mark weniger als die Hamburgische Staatsoper subventioniert.

Kultursenatorin Christina Weiss unterstützt Schwemer-Martienßens Konzentrationslösung – aus betriebswirtschaftlichen Gründen. Das klingt, als wolle man die Kulturnation gesundschrumpfen.

Christiane Kühl

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