Bücher für Randgruppen: An Pinguinen naschen
■ Aktive Urlaubsgestaltung mit und ohne Käsefüße: Reiten im Tölt, Sex im Zelt, Wandern in der Antarktis. Oder einfach lesend zu Hause
Immer mehr Menschen möchten ihren Urlaub aktiv gestalten. Langweilig am Strand herumliegen, fremde Gerichte essen und in den Strandbars abhängen reicht ihnen nicht mehr. Die Buchbranche hat den Trend längst aufgegriffen: Mit jeder neuen Snowboardkonstruktion und Drachenflugapparatur entsteht in Kombination mit dem Zielort eine immer speziellere Reiseliteratur. Selbst relativ banale Tätigkeiten wie Sex im Zelt sind mittlerweile ein Reise- Handbuch wert. So erschien jüngst der Ratgeber für Outdoor- beziehungsweise Camping-Sex. Er will Aufklärung über Vorbereitung, Technik und Varianten vermitteln.
Leider scheinen die aus den USA stammenden Autoren Dr. Robert Rose und Buck Tilton total verklemmt und prüde zu sein. Zwar werden Themen wie Voyeurismus, Gruppensex und Fesselspiele angekündigt, aber die entsprechenden Kapitel sind in einer schnarchlangweiligen Sprache verfaßt, die ihresgleichen sucht. Das Autorenduo krampft sich mühevoll den einen oder anderen müden Altherrenwitz ab, und die Frage stellt sich, wozu das alles. Ergebnis: das Einfallsloseste, was man aus diesem eigentlich hochinteressanten Thema hätte machen können. Homosexualität oder Transvestitismus kommen auf den 80 Seiten überhaupt nicht vor. Statt dessen riecht es verdammt nach Käsefüßen. Es wird deutlich, daß die Autoren selbstgefällige Macker sind, die gern mal einen auf locker machen. Wie hat die arme Übersetzerin Britta Feddersen das nur ausgehalten? Wenn hier darüber auch noch geschrieben wird (und zwar gar nicht mal so wenig), soll das aber nicht zum dem Trugschluß verführen, daß vielleicht doch irgend etwas an der ganzen Sache dran wäre. Da ist absolut nichts.
Überaus schön ist dagegen das Reise-Handbuch „Antarktis“, welches ausführliche Einblicke in das Leben auf dem unbekannten Kontinent gibt. Es ist als Vorbereitungslektüre und Wegführer für den Aktivurlauber gedacht, liest sich aber auch zu Hause sehr gut. Der Autor Christian Walther ist Geophysiker und bereiste mehrfach die Antarktis. Neben einer ausführlichen antarktischen Landeskunde werden auch die angrenzenden Regionen wie Falklandinseln und Kap Horn behandelt. Die Bäckerei bei Port Stanley findet genauso Erwähnung wie der Geschenke-Shop in der John Street auf den Falklands, den – da bin ich mir sicher – viele Leser wahnsinnig gern mal von innen gesehen hätten, wenigstens als Foto. Aber zum Trost gibt‘s phantastische Lichtbilder von im Hafen eingesunkenen Walfangschiffen und der stillgelegten Walverarbeitungsstation auf Georgien. Reizvolle Aufnahmen von Strauchflechten, die sich im Eis behaupten, Pelzrobben, die sich im Gras räkeln, und Riesensturmvögeln, die an Pinguin naschen. Leider liegt der Preis für eine preisgünstige 14tägige Antarktisreise bei durchschnittlich 20.000 Mark, das interessante und lehrreiche Buch ist jedoch schon für einen Bruchteil dieser Summe zu erwerben.
Für geneigte ReiterInnen bietet sich „Reynirs Islandpferde- Reitschule“ an. Reynir Adalsteinsson ist mehrfacher Europa- und Weltmeister im Islandpferdereiten. Nichtsdestotrotz: „Der Verlag Kosmos übernimmt keinerlei Haftung für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden, die aus der Anwendung der gezeigten Übungen und Aufgaben entstehen.“ Reitwillige sollten sich also vorerst mit dem Anschauen der gezeigten Übungen begnügen. Später können sie dann unter fachlicher Betreuung im rasanten Tölt – einer speziell isländischen Gangart – über den gefrorenen oder abgetauten isländischen Boden schweben. Wolfgang Müller
Sex, Outdoor Handbuch, Conrad Stein Verlag, 12,80 DM
Christian Walther: „Reise- Handbuch Antarktis“, Conrad Stein Verlag, 49,80 DM
Reynir Adalsteinsson: „Islandpferdereitschule“. Kosmos, 68 DM
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