Gastkommentar: Zukunft des Landes unsicherer denn je
■ Düstere Aussichten – trotz Bonner Milliarden und Wirtschaftsaufschwungs
Ein Hundsfott, wer jetzt noch Bremens Zukunft bezweifelt. Der Bremer Glücksfall Lafontaine sorgt schließlich dafür, daß bis 2004 ein letztes Mal die Bonner Quellen sprudeln und 7,7 Milliarden Mark in Bremens Haushaltslöcher fließen. Was kann jetzt noch passieren?
Die Große Koalition sieht sich gerettet. Um diese Jahreszeit verbreiten sich wundersame Mär traditionsgemäß leichter. Wunder sind aber jetzt in Bremen gefragt. Bremen hat ja schon einmal fast 10 Milliarden aus Bonn erhalten, um seine Wahnsinnsschuldenlast von damals 16 Milliarden Mark zu verringern. Die nämlich sind es, die das Land zerstören. Fast ein Viertel der Bremer Einnahmen dienen allein dem Zinsdienst. Die zehn Milliarden sind verbraucht, doch Bremens Schuldenlast beläuft sich jetzt auf zugegebene 17 Milliarden – realistisch wohl 20 Milliarden Mark – und damit mehr als je zuvor. Die Zukunft des Landes ist unsicherer denn je.
Das erste Wunder, das der Senat vollbringen muß, heißt also, die neuen und letztmaligen Bonner Milliarden diesmal wirklich zur Schuldenreduzierung zu verwenden. Weil nach wie vor im Haushalt große Deckungslücken klaffen, ist die Versuchung groß, die neuen Bonner Milliarden auf den Weg der alten ins Bremer Finanzloch zu schicken. Doch selbst wenn das erste Wunder glückt, wie soll es nach 2004 weitergehen? Stärkung der Wirtschaftskraft heißt ein nächstes Wundermittel. In der Tat, die jetzt erzielten 3,5 Prozent Wirtschaftswachstum sind eine großartige Leistung. Aber schon Volker Kröning rechnete dem Senat als Finanzsenator vor, daß Bremen zweistellige Wirtschaftswachstumsraten erzielen müßte, damit beim Finanzausgleichssystem sich eine positive Wirkung bemerkbar macht. Weil Wirtschaftswachstum mit dem Länderfinanzausgleich verrechnet wird, verliert Bremen dort, was es hier aus der Stärkung seiner Wirrtschaftskraft gewinnt. Schon beim damaligen Karlsruher Verfahren stellten Bremens Gutachter fest, daß der auf Sand baue, der die Sanierung der Bremer Finanzen von der Stärkung der Bremer Wirtschaftskraft erhoffe.
Die nächste Wunderwaffe heißt Einwohnerzuwachs. Einwohner bringen nämlich das meiste Geld beim Finanzausgleich. Bei der ursprünglichen Sanierungsplanung ging der Senat einmal davon aus, daß bis 2007 in Bremen 60.000 Einwohner mehr leben. Bis heute sinkt die Zahl. Es gibt keinen Wanderungsgewinn. Billiges Bauland kann keine Wende bringen, die sich in absehbarer Zeit auszahlt. Bremen bleibt Gefangene ihrer engen Stadtgrenzen und leidet weiter unter der Kluft zum Umland.
Es liegt mehr als ein Hauch von Tragik über der Bremer Politik, wer immer sie verantwortet. Was auch entschieden wird, es führt zu keiner Lösung der Finanzprobleme des Kleinsten im Bunde. Aus Bonn kam diesmal nur die neuerliche Hilfe, weil auch das Saarland sie braucht. Damit dürfte 2004 endgültig Schluß sein.
Nun soll just zu dem Zeitpunkt auch die neue Finanzverfassung stehen. Wenn Bremen in ihr keine besonderen Möglichkeiten erhält, ist seine Zukunft als Bundesland sehr ungewiß. Der Senat täte gut, sein Krisenmanagement auch darauf auszurichten. Wunder gibt es nicht immer wieder.
Horst-Werner Franke, Senator a.D.
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