: Sargnägel für den Transrapid
■ Berliner Parlament befragt Experten zu den Perspektiven für den Transrapid. Volksinitiative erzwingt neue Abstimmung spätestens im März - wenn nicht vorher schon das Aus kommt
Es wird eine Mammutsitzung werden. Mindestens vier Stunden lang wollen sich die Berliner Parlamentarier heute nachmittag im Plenarsaal des Abgeordnetenhauses anhören, was Experten zur geplanten Magnetschwebebahn zwischen Berlin und Hamburg zu sagen haben. Damit haben die Transrapid-Gegner ein Etappenziel erreicht: Die erste erfolgreiche Volksinitiative in Berlin hat mit mehr als 120.000 Unterschriften die neuerliche Debatte erzwungen. Nötig gewesen wären nur 90.000 UnterstützerInnen. Nach der Beratung im federführenden Ausschuß für Stadtentwicklung sowie im Bau-, Wirtschafts- und Berlin- Brandenburg-Ausschuß wird das Abgeordnetenhaus voraussichtlich im März über das Projekt abstimmen.
Berlin wäre nach Mecklenburg- Vorpommern das zweite beteiligte Bundesland, das sich gegen den Transrapid ausspricht. „Die Meinung einer einzelnen Landesregierung kann für die Realisierung des Projekts nicht ausschlaggebend sein“, hatte Bundesverkehrsminister Franz Müntefering (SPD) zwar den rot-roten Schweriner Koalitionären ins Stammbuch geschrieben. Doch ein Votum aus Berlin könnte für die Berliner Regierung ein „Anlaß“ sein, so hofft Münteferings Berliner Parteifreund Christian Gaebler (SPD), „das Projekt jetzt endlich zu beerdigen“ und den „Zombie des Bundeshaushalts“ nicht länger „als Leichnam mit uns herumzuschleppen“.
Noch lieber wäre es Gaebler freilich, das Landesparlament müßte sich mit der Frage gar nicht abschließend befassen, weil ihm eine „klare Absage“ der beteiligten Konzerne zuvorkommt. Die Hoffnung ist nicht unberechtigt: Mehr als die ursprünglich veranschlagten 6,1 Milliarden Mark will sich der Bund das Projekt nicht kosten lassen, so steht es in der rot- grünen Koalitionsvereinbarung. Doch neuere Berechnungen des Eisenbahnbundesamts gehen von einem weit höheren Subventionsbedarf aus.
Ein Rückzieher der Industrie käme den Berliner Sozialdemokraten aber auch deshalb gelegen, weil sie sich selbst in der Transrapid-Frage nicht einig sind. Fraktionschef Klaus Böger führte bislang einen Eiertanz auf: Einerseits verweist er stets auf den Bonner Kostendeckel, andererseits redet er weiterhin von einem „innovativen Projekt“ mit „Bedeutung für den Osten“. Die CDU dagegen hält dem Milliardengrab weiterhin die Treue, Verkehrssenator Jürgen Klemann zieht das Planfeststellungsverfahren für die Trasse durch, als wäre nichts gewesen.
Von der heutigen Anhörung erhofft sich Gaebler endlich „klare Aussagen über die Finanzierungsdaten“. Die beiden Geschäftsführer der Magnetschnellbahn-Planungsgesellschaft, Horst Fechner und Hans-Christoph Atzpodien, sollen darüber ebenso Auskunft geben wie ein Abteilungsleiter aus der Grundsatzabteilung des Verkehrsministeriums. Die Verkehrsexperten Rainer Hopf vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin und Karl- Otto Schallaböck vom Wuppertal- Institut für Klima, Umwelt und Energie werden noch einmal Argumente gegen den Transrapid zusammentragen. Auch Deutsche Bahn AG, Industrie- und Handelskammer sowie die Eisenbahnergewerkschaft entsenden Vertreter. TU-Präsident Hans-Jürgen Ewers, der den Transrapid aus ökonomischer Sicht kritisiert, hat jedoch ebenso abgesagt wie die Abgesandten von Bundesrechnungshof und Eisenbahnbundesamt, die wiederholt auf die Kostensteigerungen hingewiesen hatten.
Doch auch ohne diese Stimmen hofft der bündnisgrüne Abgeordnete Michael Cramer, daß die heutige Anhörung zur „Beerdigung des Transrapids“ beiträgt. Aufgrund der Kostenexplosion sei das Projekt ohnehin schon tot. Jutta Wagemann, Ralph Bollmann
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