: Arbeitslose zum Bosnieneinsatz
Der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) hat von einer Bosnien-Reise einen „guten Vorschlag“ mitgebracht: Arbeitslose sollen dort beim Aufbau helfen ■ Von Nick Reimer
Dresden (taz) – „Leider wissen die Arbeitsämter noch nichts davon“, sagt Alois Streich, Landesarbeitsamtspräsident in Sachsen. Schon am ersten Tag habe es jede Menge Anfragen wegen „des guten Vorschlags“ gegeben. Der kam vom sächsischen Ministerpräsidenten.
Kurt Biedenkopf war am Montag von einer mehrtägigen Reise aus Bosnien zurückgekehrt. „Ich habe sehr konkret erlebt, wie fragil die Situation vor Ort ist“, erklärte Sachsens Regierungschef, als er am Dienstag seinen „guten Vorschlag“ der Presse vorstellte. „Es ist beeindruckend zu sehen, mit wie wenig Mitteln dort der Wiederaufbau vorangebracht wird“, sagte Biedenkopf. 1.000 bis 2.000 Mark reichten oft schon aus, um eine Wohnung wiederherzustellen. „Mittel sind vorhanden. Was fehlt, sind qualifizierte Arbeitskräfte.“ Und dann kam der „gute Vorschlag“. Er sei gebeten worden, zu prüfen, ob Deutschland nicht mit Fachpersonal aushelfen könne. Biedenkopf will das nun „gern tun“ und Arbeitslose oder Vorruheständler gewinnen, die in Bosnien beim Aufbau helfen. Allein in der sächsischen Staatskanzlei gingen am Tag eins nach Biedenkopfs Vorschlag etwa 70 Anfragen von aufbauwilligen Arbeitslosen ein. „Bei den sächsischen Arbeitsämtern haben sich mehrere hundert Interessenten auch aus anderen Bundesländern gemeldet“, so Rainer Führer, Sprecher des Dresdner Arbeitsamtes.
Doch arbeitsreif ist der Vorschlag noch nicht. Biedenkopf will jetzt zunächst mit Bundesarbeitsminister Walter Riester und Außenamtschef Joseph Fischer juristische, zeitliche oder finanzielle Rahmenbedingungen ausloten. Danach will er mit dem Landesarbeitsamt über Modalitäten sprechen. Einen Zeitpunkt, wann der erste Arbeitslose zu seinem Bosnieneinsatz antreten kann, kann deshalb noch niemand nennen.
Das sächsische Landesarbeitsamt richtete gestern unter der Nummer (0130) 803737 eine zentrale Hotline ein, die Bewerbungen entgegennimmt. Bewerben würden sich auch arbeitslose Zimmerer, Maurer, sogar Rettungssanitäter. Claus Welz, Sprecher des Landesarbeitsamtes, verwies ausdrücklich darauf, daß nur Spezialisten – etwa Architekten, Bauingenieure, Fachleute der Bauplanung – gesucht würden.
Auf die Arbeitslosenstatistik wird Biedenkopfs Vorschlag keine Auswirkungen haben. Befragt, wie viele Arbeitslose denn mit einem solchen Einsatz rechnen könnten, sagte Biedenkopf, er denke an „ein paar Dutzend“.
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