piwik no script img

NachgefragtFrauen im Knast

■ Schlechtere Chancen auf Resozialisierung

Frauen müssen seltener in den Knast als Männer. Doch obwohl Frauen weniger kriminell sind als Männer, stehen ihre Chancen auf Resozialisierung schlechter. Zu diesem Ergebnis kommt die Juristin Gesa Lürßen, die die Situation von Frauen in deutschen Gefängnissen in ihrer Promotion untersucht hat. Auf einer Tagung der Konrad-Adenauer-Stifung zum Thema „Wiedereingliederung von weiblichen Häftlingen“ hat sie die Ergebnisse ihrer Arbeit gestern vorgestellt. Lürßen ist Teilanstaltsleiterin im Männerknast der JVA Bremen-Oslebshausen.

taz: Frau Lürßen, was ist in Frauengefängnissen anders?

Gesa Lürßen: Der Frauenvollzug hat eine ausgesprochen geringe Zahl an Inhaftierten. Nur etwa vier Prozent aller Insassen in deutschen Gefängnissen sind Frauen. Es heißt immer ein bißchen salopp, Frauen seien die besseren oder zumindest die geschickteren Menschen...

Glauben Sie das als Expertin auch?

Frauen sind tatsächlich weniger kriminell als Männer. Sie reagieren anders auf soziale Umstände. Frauen richten ihre Reaktionen mehr nach innen, während Männer dazu neigen, gewalttätig zu werden. Die Delikte der Frauen sind auch nicht so schwerwiegend. Dafür ist der Anteil süchtiger Frauen unter den weiblichen Strafgefangenen viel höher.

Aber wenn in deutschen Gefängnissen so wenige Frauen sitzen, ist es dann nicht auch leichter, ihren Problemen „Herr“ zu werden?

Nein. Im Gegenteil. Man kann die Insassen einer kleinen Anstalt zwar besser betreuen, aber es fehlt im Frauenvollzug oft die Mindestgröße, um den Frauen Resozialisierungsangebote machen zu können. Deshalb können Frauen beispielsweise im Knast nicht so gut ausgebildet werden wie Männer.

Es heißt, daß die Frauen von Strafgefangenen häufig zu ihren Männern halten. Wie ist das bei den Frauen?

Frauen, die im Gefängnis sitzen, werden von ihren Männern häufig fallengelassen. Und auch die Umwelt reagiert anders auf Frauen. Es schickt sich für eine Frau nicht, ins Gefängnis zu müssen. Ein Mann kann sich dagegen auf die Brust trommeln und den Helden spielen. Bei den Frauen heißt es: Oh Gott, was ist das denn für eine. Wie konnte die ihre Familie nur so im Stich lassen. Die Kinder müssen ins Heim, kommen in die Mutter-Kind-Abteilung des Knastes oder zu Verwandten. Männer, die im Knast sitzen, haben dagegen meistens eine Frau, die sich weiter um die Kinder kümmert.

Die sozialen Kontakte brechen also ab?

Ja. Weil es so wenig Frauen gibt, müssen sie oft in Haftanstalten untergebracht werden, die von ihrem Wohnort weit entfernt sind. In Niedersachsen müssen die meisten Frauen nach Vechta, und das ist zum Teil 300 Kilometer von ihrem Wohnort entfernt. Deshalb bekommen die Frauen auch weniger Besuch.

Und die Lösung des Problems?

Die Frauenvollzugsanstalten müssen sich vernetzen. Man könnte Arbeitsprojekte in eigenen Betrieben verwirklichen. Das setzt natürlich voraus, daß die Einrichtigungen nicht zu weit voneinander entfernt sind. Außerdem halte ich Projekte, die vorsehen, daß die Frauen Praktika in Betrieben außerhalb der Gefängnismauern absolvieren, für sinnvoll. Frauen gelten als weniger gefährlich. Die Voraussetzungen für den offenen Vollzug sind also günstig. Es bietet sich deshalb geradezu an, Frauen für die Ausbildung nach draußen zu schicken. Es muß sich jedenfalls für die Frauen etwas ändern. Resozialisierung ist schließlich gesetzlich vorgeschrieben.

Fragen: Kerstin Schneider

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen