: Kohle machen mit dem Umweltsiegel
■ Gegen den Branchentrend macht der Göttinger Stadtwald Gewinn bei Holzproduktion, weil er den Wald ökologisch bewirtschaftet
Wie in der Landwirtschaft schreiben auch viele Forstbetriebe längst nur noch wegen der umfangreichen staatlichen Subventionierung schwarze Zahlen. Die Privatforsten lassen sich so den größten Teil ihrer Investitionskosten durch den Steuerzahler bezahlen. Als kommunaler Forstbetrieb muß der Göttinger Stadtwald ohne diesen warmen Geldfluß des Staates auskommen. Doch dank der ökologischen Forstwirtschaft machte der Stadtwald bei der Holzproduktion erstmals Gewinn.
„Bereits zehn Prozent des von uns abgesetzten Holzes werden mit dem Umweltsiegel verkauft“, sagt Forstamtsleiter Martin Levin. Neben den allgemein etwas besseren Preisen für das Naturprodukt haben sich jetzt erstmals die breiteren Werbe- und damit Vermarktungsmöglichkeiten bemerkbar gemacht, die sich mit dem Naturland-Holzzertifikat ergben. Der 1.600 Hektar große Göttinger Stadtwald war bundesweit der zweite Forstbetrieb, der ausgezeichnet wurde mit dem Naturland-Ökosiegel, dem deutschen Vorläufer des FSC-Siegels. Statt großer Waldflächen dürfen nur einzelne Bäume bzw. höchstens kleine Baumgruppen umgesägt werden. Abgestorbene Hölzer bleiben als Lebensraum für Schwarzspecht, Fledermaus und Siebenschläfer vor Ort. Die Artenvielfalt in diesen Wäldern ist größer als in konventionell beackerten Forsten – ganz so, wie es in der Waldkonvention von Rio angestrebt wird.
In Göttingen zeigen sich erste Erfolge. Im Stadtwald habe das werbewirksame Siegel den Weihnachtsbaumverkauf gegenüber den Vorjahren verdoppelt, heißt es im Forstamt. Schon eine kurze Meldung in der örtlichen Presse reichte aus, und den Förstern seien die Bäumchen „aus den Händen gerissen“ worden.
Auch ein Großabnehmer für das sonst schwer verkäufliche Industrieholz konnte gewonnen werden. Chemviron Carbon will Kohle mit dem Naturlandsiegel machen und in der anlaufenden Grillsaison ökologisch bewußte KundInnen bedienen. Die müssen jedoch genau hinschauen: Die Aufmachung ist weitgehend identisch mit konventionellen Chemviron-Produkten. Damit könnte Göttingen einen großen Teil der Bäume absetzen, die für andere Verwendungen zu minderwertig sind.
Weniger positiv ist der Absatz der besseren Holzqualitäten. Hier waren die Abnehmer bislang noch nicht bereit, jenen Aufschlag von drei Prozent zu bezahlen, den das Ökosiegel in Göttingen mit sich bringt. Die Sägewerke verzichten auf den Erwerb des Umweltsiegels, weil die Stämme vom herkömmlichen Holz getrennt gelagert werden müßten und das Geschäftsrisiko gefürchtet wird.
Selbst Tischlereien, die Ökoküchen oder gesunde Schlafzimmer herstellen, ordern überraschend zurückhaltend. Aber da die Sägereien die Naturland-Ware nicht vorrätig halten, wären interessierte Möbelbauer auf eine eigene Lagerhaltung angewiesen. Das ist nur wenigen Betrieben möglich. Um trotzdem Kunden für das Naturland-Holz zu gewinnen, will Forstamtsleiter Levin den Tischlereien weit entgegenkommen und bietet einen für Forstämter untypischen Service: „Wir organisieren denen alles, von der Sägerei bis zu Trocknung.“
Doch das neue Wirtschaftsprinzip rechnet sich schon jetzt. Weil teure Pflege wie das Anpflanzen, Behandeln von Jungbäumen und Ausdünnung entfallen, brachte das Holzgeschäft dem Forstamt erstmals einen Überschuß. Mit diesem subventioniert das Forstamt unter anderem den Naturschutz. So profitiert die Natur gleich zweimal. Stefan Matysiak
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