Kommentar: Hilfe, aber auch Disziplinierung
■ Arbeitsminister Riester verspricht Jugendlichen Jobs
Die Jugend will flott angesprochen werden. Das weiß auch SPD-Arbeitsminister Walter Riester, der als ehemaliger IG-Metall-Vize noch den Rap-Song im Ohr hat, mit dem die Metaller einst für das Bündnis für Arbeit warben – Baseball-Kappen inklusive. Jetzt haben auch beim „Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit“ die kreativen Werber gedichtet: „100.000 Jobs für Junge“. „JUMP (JUgend Mit Perspektive)“, so lautet das Leitmotiv der Kampagne. Eine einfach zu merkende Hotline soll auch den Dümmsten ermuntern, es mal wieder mit dem Arbeitsamt zu versuchen.
Um auch wirklich jedem Jugendlichen mindestens ein Angebot machen zu können, bekommen die Arbeitsämter zwei Milliarden Mark extra. Das ist viel in Zeiten knapper Kassen. Das Sofortprogramm für die Jugend ist materiell gesehen das Glanzlicht der rot-grünen Arbeitsmarktpolitik. Die Großzügigkeit des Arbeitsministers hat triftige Gründe. Noch ist die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland zwar relativ gering im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Aber jeder junge Erwachsene unter 25 Jahren, der keine Ausbildung hat und wenig Berufserfahrung, könnte morgen ein Langzeitarbeitsloser sein. Junge Erwachsene mit null Bock, einer Gewöhnung an „Stütze“ und einem Geschick in Schwarzarbeit sind der Horror der Sozialpolitiker.
In Regionen mit schwachbemittelten Arbeitsämtern und viel Frust unter den Jungen könnte das Sofortprogramm viel Segensreiches bewirken. Das staatlich finanzierte 100.000-Jobs-Wunder ist aber auch ein Disziplinierungsprogramm: Wenn jedem Jugendlichen ein Job oder eine Maßnahme angeboten wird, darf sich keiner mehr davor drücken. Wer trotzdem nicht mitmacht, dem wird die Stütze gestrichen. Riester hat das früher schon einmal angekündigt. Jugendliche wollen aber nicht das Gefühl haben, nur in einer „zweitklassigen“ Maßnahme gelandet zu sein, die sie für immer in den Augen künftiger Arbeitgeber als „zweitklassige“ Bewerber abstempelt.
Gerade in jungen Jahren ist man sehr empfindlich für versteckte Deklassierung, aus der es kein Entkommen mehr gibt. Deswegen liegt der Erfolg solcher Kampagnen im Detail, in der Phantasie und dem Engagement der Vermittler in den örtlichen Arbeitsämtern. Und das war schon immer so. Barbara Dribbusch
Bericht Seite 6
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