Bürger-Inis wollen Rot-Grün nicht schonen

Wer Atommüll mit Castoren transportieren will, muß weiter mit Störaktionen rechnen. Die Energiekonsensgespräche sollen von einer Demonstration und alternativen Ausstiegsrunden begleitet werden  ■  Von Jürgen Voges

Hannover (taz) – „Solange der Atomausstieg nicht in Sicht ist, gibt es für die Bürgerinitiativen keinen Grund, zwischen gutem und schlechtem Atommüll zu unterscheiden.“ Mit diesen Worten kündigte das Vorstandsmitglied der Bürgerinitiative (BI) Lüchow- Dannenberg, Wolfgang Ehmke, am Samstag in Hannover den Widerstand der Wendländer gegen weitere Transporte ins Gorlebener Zwischenlager an.

Daß es nun ein grüner Umweltminister Jürgen Trittin ist, der über das Bundesamt für Strahlenschutz die Fahrt nach Gorleben oder Ahaus genehmigen könnte, hat an Ehmkes Haltung nichts geändert. „Ich habe nichts gegen Sozialdemokraten als Verbündete“, sagt er und verwies auf die beiden SPD- Ministerpräsidenten Wolfgang Clement und Gerhard Glogowski, die am Wochenende ebenfalls gegen weitere Einlagerungen von hochradioaktivem Müll in den beiden externen Zwischenlagern im nordrhein-westfälischen Ahaus und im niedersächsischen Gorleben Front gemacht haben.

Gegen Transporte von Glaskokillen mit eingeschmolzenen hochradioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung in Frankreich werde die BI Lüchow-Dannenberg genauso wie „gewohnt mobilisieren“ wie gegen Transporte von abgebrannten Brennelementen direkt aus deutschen AKWs in das Wendland, so Ehmke.

Die französische Regierung hatte gedroht, die gesamten Abfälle sofort zurückzutransportieren, wenn die Wiederaufarbeitung verboten werde. Auch nach den Gesprächen mit Bundesumweltminister Trittin, der immer noch keine Proteste sehen will, beharrte sie darauf, daß in diesem Jahr eine Reihe von Behältern transportiert werden müßten.

Die BI Lüchow-Dannenberg ist aber auch über die Brennelementtransporte direkt aus deutschen AKWs ins Wendland empört, die implizit in der rot-grünen Einigung über die Atomgesetznovelle angedroht werden, die die Bonner Koalitionsrunde am Mittwoch abgesegnet hat. Mit der Gesetzesänderung, deren Eckpunkte in einem sechsseitigen Papier festgehalten sind, sollen zwar alle AKW-Betreiber verpflichtet werden, „für die Zwischenlagerung der bestrahlten Kernbrennstoffe innerhalb oder in der Nähe der Anlage“, zu sorgen.

Falls allerdings die internen Lagerbecken der AKWs überzulaufen drohen, weil das Verbot der Wiederaufbereitung zum Jahresende in Kraft tritt und die neuen Zwischenlager an den Kraftwerksstandorten wohl erst in Jahren betriebsbereit sind, sollen die abgebrannten Brennelemente direkt nach Gorleben oder Ahaus gebracht werden. „Der Betrieb von Kraftwerken mit gleichwohl erschöpfter Lagerkapazität ist, auch durch die Erteilung in diesem Zusammenhang notwendiger Genehmigungen (Behälter, Einlagerung, Transport), zu gewährleisten“, heißt es klar auf Gorleben und Ahaus gemünzt in den Eckpunkten.

Bundeswirtschaftsminister Werner Müller ist besonders stolz auf diese Regelung, mit der die BIs an Kraftwerksstandorten, die gegen standortnahe Zwischenlager Front machen wollen, und die in Gorleben und Ahaus gegeneinander ausgespielt werden könnten. „Solche Geschichten, die den weiteren Reaktorbetrieb garantieren, soll man uns nicht als Atomausstieg verkaufen“, so Ehmke.

Wenn in Bonn die Konsensgespräche beginnen, wollen die Anti- AKW-BIs eine „Störfallprozession“ veranstalten. Auf einer Kundgebung in Rufweite des Kanzleramtes wollen sie 150 ausgewählte Störfälle in bundesdeutschen AKWs auf Schautafeln dokumentieren. Auch der BUND und Internationale Ärzte gegen den Atomkrieg rufen zu der Aktion auf. „Obwohl der 26. Januar auf einen Dienstag fällt, ist diese Demonstration ein Muß für alle, die in den vergangenen Jahren gegen die Atomkraft auf die Straße gegangen sind“, sagte Ehmke. Anschließend wollen in Bonn Vertreter von BIs, regierungsunabhängigen Organisationen und erstmals auch der drei Gewerkschaften IG Bau, IG Metall und GdED öffentliche Ausstiegsgespräche organisieren – als Alternative zu den Konsensgesprächen, die die BIs für „Nonsens“ halten.

Daß tatsächlich in absehbarer Zeit wieder Brennelementtransporte nach Gorleben rollen, sieht Ehmke allerdings noch nicht. Seit bei einem Versuch in einem Castor-Deckel Feuchtigkeit gefunden worden ist, steht die Langzeitsicherheit der Castoren grundlegend in Frage. Bevor die Transporte wieder losgehen, muß erst das Untersuchungsprogramm, auf das sich Bund und Länder deswegen geeinigt hatten, erst einmal abgewartet werden.