: Serbische Versionen über das Massaker
■ Das Informationsministerium in Belgrad behauptet, Kämpfer der UCK hätten die Opfer nach ihrem Tod entkleidet und umgezogen
Priština (taz) – Was ist am vergangenen Freitag im Dorf Racak im Kosovo passiert? „Die Polizei schoß zurück und zerstörte die terroristischen Gruppen“, heißt es in einer Pressemitteilung des serbischen Innenministeriums vom Samstag, „bei den Kämpfen wurden einige Dutzend Terroristen getötet, die meisten von ihnen trugen eine Uniform mit den Insignien der terroristischen sogenannten UCK.“ Am Samstag fanden Journalisten die Leichen von 40 Albanern – doch nicht einer trug eine Uniform.
Am Sonntag löste das serbische Informationsministerium das Rätsel. Es erklärte, die UCK habe ihre Toten aus- und umgezogen. Als Beweis dafür nannte es, die Kleider der Leichen, die nun in der Moschee aufgebahrt waren, seien kaum versehrt. Wenn man Menschen mit Kopfschuß aus nächster Nähe tötet – und daß dies in den meisten Fällen geschah, davon ging nach Augenscheinnahme vor Ort auch William Walker, der Chef der OSZE-Mission, aus –, werden die Kleider kaum mehr als einige Blutspritzer abkriegen.
Am Sonntag früh lagen die Leichen der Albaner immer noch in der Moschee. Dann kündigte die serbische Polizei an, eine unabhängige Untersuchung zu machen – sie rückte gegen Mittag schwer bewaffnet zu dieser Untersuchung aus. Es kam zu Gefechten, die wenigen Flüchtlinge, die zurückgekehrt waren, und die OSZE-Leute mußten aus dem Ort fliehen. Die serbischen Polizisten blieben allein zurück. Nun sind Manipulationen wirklich zu befürchten. Es wäre leicht festzustellen, ob die Menschen aus nächster Distanz regelrecht exekutiert oder im Gefecht erschossen wurden.
Die serbische Seite kann nur gewinnen, wenn ihre Wahrheit durch eine unabhängige internationale Untersuchung untermauert wird – und sie kann nur verlieren, wenn sie eine solche nicht zuläßt. Bisher haben die serbischen Behörden Louise Arbour, der Chefanklägerin des Internationalen Tribunals für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien, ein Einreisevisum verweigert. Sie will vor Ort ermitteln. Thomas Schmid
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