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Falsche Papiere von der Ausländerbehörde

Bürgermeister Runde (SPD) lobt rot-grüne Bonner Integrationspolitik. Die Ausländerbehörde in Hamburg trickst derweil mit dem „fiktiven Alter“ jugendlicher Flüchtlinge  ■ Von Elke Spanner

MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde sind skeptische Menschen. Behaupten jugendliche Flüchtlinge, die ohne Eltern nach Hamburg kommen, sie seien noch nicht 16 Jahre alt, glauben die BeamtInnen das meist nicht. Sie datieren den Geburtstag einfach zurück – mit der Folge, daß Jugendliche wie Erwachsene behandelt werden. Daß die Behörde mit ihren „fiktiven Daten“ etwas vorschnell ist, beweisen Zahlen der Innenbehörde, die der taz vorliegen: In rund der Hälfte aller Fälle, in denen sich ein Flüchtling zum Beweis seiner Minderjährigkeit ärztlich untersuchen ließ, korrigierten die MedizinerInnen das „fiktive Alter“ nach unten.

Im vorigen Jahr haben 90 Jungen und Mädchen ein ärztliches Gutachten eingeholt. In 44 Fällen bestätigten die MedizinerInnen, daß der Jugendliche tatsächlich höchstens 16 Jahre alt ist. Im Juli etwa kamen 72 Flüchtlingskinder nach Hamburg, die angaben, unter 16 Jahre alt zu sein. 50 von ihnen bekamen von der Ausländerbehörde ein höheres Alter verpaßt. Acht gingen zum Arzt, und der korrigierte die Behörde in sieben Fällen.

Eben diese Zahlen hat die GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Susanne Uhl mit einer kleinen Senatsanfrage zu erforschen versucht, deren Antwort noch nicht vorliegt. Nach Bekanntwerden der internen Statistik der Innenbehörde forderte Uhl gestern umgehend, daß den Jugendlichen ein „kindgerechtes Verfahren“ zur Feststellung ihres Alters eröffnet wird: „Viele Flüchtlinge dürften aus Unkenntnis oder Angst auf ärztliche Gutachten verzichtet haben“, fürchtet sie. „Es muß davon ausgegangen werden, daß auch bei den verbliebenen Fiktivfällen in erheblichem Umfang Fehlentscheidungen vorliegen.“

Nicht ausreichend sei deshalb, daß den Betroffenen auf der Ausländerbehörde nur Merkblätter in die Hand gedrückt werden; sie müßten mündlich in ihrer Muttersprache beraten werden. Außerdem werden die Flüchtlingskinder regelmäßig von der Ausländerbehörde wegen Urkundenfälschung angezeigt. Die nachfolgende erkennungsdienstliche Behandlung bei der Polizei schüchtere ein und müßte unterlassen werden.

Anders als deutsche Kinder gelten Flüchtlinge schon mit 16 Jahren als erwachsen. Statt nach dem Kinder- und Jugendschutzgesetz betreut zu werden, werden sie mit Erwachsenen zusammen über das Bundesgebiet verteilt. Die ärztliche Altersfeststellung gibt es in Hamburg erst seit vorigen April. GAL und SPD hatten sie im Koalitionsvertrag vereinbart.

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