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Laufpaß für „mitteleuropäische Gegebenheiten“

■ Der eineinhalb Jahre währende Streit zwischen dem Berliner Nobelhotel „Adlon“ und einer schwarzafrikanischen Studentin über deren Frisur endete überraschend mit einem Vergleich

Anderthalb Jahre hat sich das Nobelhotel „Adlon“ stur gestellt und die Nichtbeschäftigung einer schwarzafrikanischen Studentin als Aushilfskraft wegen deren geflochtener Zöpfe verteidigt. Die Begründung sorgte damals, im Juni 1997, für Aufsehen im In- und Ausland. Die Frisur der Studentin Jocelyne N., die ihr fein gekräuseltes Haar in bis zu 200 geflochtenen Zöpfe zu tragen pflegt, entspreche nicht „durchschnittlichen mitteleuropäischen Gegebenheiten“, hatte das Hotel argumentiert. Deshalb war Jocelyne N. am ersten Tag ihrer Beschäftigung vom Empfang in den Küchenbereich versetzt und schließlich, am dritten Tag, nach Hause geschickt worden.

Neunzehn Monate lang weigerte sich das „Adlon“, sich bei der schwarzafrikanischen Studentin zu entschuldigen und lehnte ihren Vorschlag einer Einigung in Form eines symbolischen Schmerzensgeldes ab. Dem Verein „Initiative Schwarze Deutsche und Schwarze in Deutschland e.V“, der dem Hotel Rassismus vorgeworfen hatte, unterstellten die „Adlon“-Anwälte „geistige Brandstiftung“ und drohten gar mit rechtlichen Schritten wegen übler Nachrede. Nachdem die außergerichtlichen Einigungsversuche gescheitert waren, hatte Jocelyne N. Klage vor dem Arbeitsgericht eingereicht.

Gestern nun trafen sich beide Parteien zu einem Gütetermin vor dem Berliner Landesarbeitsgericht. Überraschenderweise zeigte der Anwalt des „Adlon“, Hans-Joachim Jungbluth, einen plötzlichen Gesinnungswandel. Der Anwalt zog seine umstrittene Äußerung der „durchschnittlichen mitteleuropäischen Gegebenheiten“ zurück. Behilflich bei seinem Kurswechsel war Berlins Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU). Sie hatte in einem Schreiben an die „Adlon“-Anwälte darauf aufmerksam gemacht, daß deren Rechtsauffassung „gesellschaftspolitisch veraltet“ sei.

„Heute schließe ich mich der Bewertung von Barbara John an“, sagte gestern der Anwalt. Er betonte zwar, aus der Rechtssprechung „richtig zitiert“ zu haben, doch räumte er ein, daß die Formulierung „politically incorrect“ sei. Seinen Wertewandel begründete er so: „Oberstes Ziel ist es, zu einem Miteinander zu kommen.“ Bereits im vergangenen Jahr habe er seine Äußerung als „unglücklich“ bezeichnet.

Eine Einigung wurde auch in dem zweiten strittigen Punkt erzielt, es ging um den Verdienstausfall von 150 Mark. Weil der eigentliche Arbeitgeber nicht das „Adlon“, sondern eine Firma ist, die Jocelyne N. an das Hotel vermittelt hat, verpflichtete sich das Hotel, dort „nachhaltig auf die Zahlung einzuwirken“. Die Forderung von 1.050 Mark Schmerzensgeld wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes von Jocelyne N. ist mit dem Einlenken des „Adlon“ hinfällig.

Die Studentin, deren Eltern aus Burundi stammen, zeigte sich zwar zufrieden mit dem Vergleich. Doch in einer Erklärung sagte sie, daß der Vorfall „sehr demütigend“ für sie gewesen sei. „Ich versuche immer, mich anzupassen und mich nach den Gegebenheiten zu frisieren“, sagte sie. „Ich bin trotzdem geohrfeigt worden, das war kein Spaß für mich.“ Jocelyne N. wunderte sich darüber, warum diese Einigung nicht schon viel früher erzielt worden war. Barbara Bollwahn de Paez Casanova

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