Blasmusik gegen amnesty nicht erlaubt

■ Gericht rügt Einsatz einer Polizeikapelle gegen Demonstranten: Musik lenke Staatsgast von ai ab

München (taz/dpa) – Die Mahnwache mahnte, die Spruchbänder von amnesty international (ai) waren entrollt – aber Jiang Zemin, chinesischer Staatspräsident 1995 zu Besuch in München, bekam davon nichts mit. Statt dessen konnte er sich an bayerischer Folklore erfreuen. Denn, so ein Zufall, als die Staatskarossen anrollen sollten, parkte ein Polizeibus vor der Demonstrantengruppe, und heraus sprang eine Polizeiblaskapelle, die sofort begann, dem Staatsgast einen zünftigen Marsch zu blasen.

Der Bus sei „zum Schutz des Staatsgastes“ erforderlich gewesen, begründete Staatskanzlei- Chef Erwin Huber (CSU) damals den Sondereinsatz. Etwas Blöderes ist ihm offenbar nicht eingefallen. Sind Blasinstrumente bei Demonstrationen also erlaubt? Noch drei Jahre vorher, beim Weltwirtschaftsgipfel 1992, waren sie es nicht. Damals hatte die Bereitschaftspolizei Hunderte Demonstranten wegen der Benutzung von Trillerpfeifen eingekesselt.

Die bayerische Staatsmacht, in ihrem Umgang mit Demonstranten durchaus phantasievoll, hat nun die richterliche Quittung für ihre Arroganz erhalten. Amnesty hatte wegen Beschneidung der Demonstrationsfreiheit gegen Bayern geklagt – und recht bekommen. „Das Vorgehen hat das Ziel der friedlichen Demonstranten, Zemin auf sich aufmerksam zu machen, eindeutig vereitelt“, zürnte Richter Ernst Lange am Verwaltungsgericht München. Obwohl das Urteil nach Ansicht von ai eine „schallende Ohrfeige für die Regierung in München“ ist und auch „ein Sieg der Meinungsfreiheit“, wird es bei dieser kleinen Genugtuung bleiben. Die Staatsregierung muß nur die Gerichtskosten zahlen. Entschuldigt hat sie sich bis heute nicht. Stefan Kuzmany