: Ratlosigkeit bei den bosnischen Serben
■ Auch im zweiten Anlauf kann der Präsident der Republika Srpska seinen Kandidaten Brano Miljus nicht im Parlament durchdrücken
Sarajevo (taz) – Der Präsident der Serbischen Teilrepublik in Bosnien-Herzegowina, Nikola Poplasen, ist wiederum bei dem Versuch gescheitert, nach den Wahlen vom Herbst 1998 eine neue Regierung zu bilden. Ein bißchen ratlos trat er gestern vor die Kameras. Sein Vorschlag, den Rechtsanwalt Brano Miljus in das Amt des Premierministers zu hieven, war am Montag mit 46 gegen 29 Stimmen im Parlament der Republika Srpska zum zweiten Mal abgelehnt worden. So blieb der von der internationalen Gemeinschaft favorisierte alte Premierminister Milorad Dodik vorerst im Amt.
Der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft, Carlos Westendorp, hat in den vergangenen Wochen keinen Zweifel daran gelassen, daß eine Regierung nach den Wünschen des als radikalen Nationalisten eingestuften Poplasen nicht zustandekommen wird. Die Drohung des Büros des Hohen Repräsentanten, die Wirtschaftshilfe zu stoppen, hat sogar einige Symphatisanten der radikalen Parteien wie SDS und RS davon abgehalten, für den vorgeschlagenen Brano Miljus, zu stimmen.
Der Rechtsanwalt hat sich im radikalen Lager, das ihn unterstützen sollte, auch nicht nur Freunde gemacht. Der während des Krieges in Belgrad lebende Miljus erklärte nämlich, die noch immer international verwaltete und strategisch wichtige Stadt Brčko sollte nicht wie von seinen „Freunden“ gewünscht an die Republika Srpska fallen, sondern einen Sonderstatus erhalten.
Damit sammelte er zwar Punkte bei der gegenüber den Serben auf Distanz bedachten bosniakischen Führung in Sarajevo, nicht jedoch in Banja Luka. Dort wurde von Kriegsveteranen und dem Komitee für Verschwundene gegen ihn demonstriert. Miljus sei ein feiger Hund und eine Puppe Miloševićs.
Eine Puppe, die immerhin kräftig austeilen kann. So warf Miljus seinem Konkurrenten Dodik vor, nicht nur während des Krieges an Schwarzmarktgeschäften reich geworden zu sein. Auch jetzt soll er noch in Zusammenarbeit mit einzelnen SFOR-Einheiten Zigaretten schmuggeln. Daß Dodik, der zwei Wohnungen in Belgrad besitze und mit der gesamten Familie in einem der teuersten römischen Hotels Sylvester gefeiert habe, während des Krieges mit dem kroatischen Verteidigungsminister Susak Kontakt hatte, tat Miljus nun der staundenden Öffentlichkeit in der Republika Srpska kund.
Biljana Plavsić sei eine gefährliche Person, erklärte er. In einem persönlichen Gespräch 1993, als er, Miljus, für den Frieden eingetreten sei, hätte sie ihm gegenüber gesagt, die „Türken“ – gemeint sind die bosnischen Muslime – müßten „alle ausgerottet und ihre Städte zerstört werden.“
Seine unorthodoxen Sprüche, mit denen er für Menschenrechte eintrat und forderte, daß Bosnien- Herzegowina wieder zusammenwachsen solle, erregten zwar Aufmerksamkeit. Doch auch im Lager der Föderation blieb man gegenüber Miljus mißtrauisch. Der sympathisch aussehende Rechtsanwalt wurde bei seinem Besuch in Sarajevo weder vom bosnischen Staatspräsidenten Alija Ižetbegović noch vom Vizepräsidenten der Föderation Haris Silajdžić empfangen.
So kann das Spiel um die Regierungsbildung von neuem beginnen. Die internationalen Institutionen unterstützen weiterhin Dodik. Poplasen bekommt keine neue Mehrheit für seine Vorschläge. Da Dodik weiterhin regiert, muß Poplasen wohl oder übel einen Kandidaten präsentieren, der von allen akzeptiert wird. Da aber die muslimische und kroatischen Nationalparteien SDA und HDZ sowie die nicht nationalistischen Parteien der Sozialdemokraten bisher Dodik unterstützen, müßte der Kompromißkandidat aus dem für Poplasen gegnerischen Lager kommen. Poplasens Idee, eine Regierung der serbischen nationalen Einheit zu formen, ist angesichts der politischen Konstellation wohl nicht zu verwirklichen. Erich Rathfelder
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