: Vom Zuschauerstaat zur Demokratie der Bürger
■ Zum 50jährigen Jubiläum des Grundgesetzes im Mai beginnt eine Woche der Bürgergesellschaft
Wer denkt beim Grundgsetz schon an „Freude“? Hildegard Hamm-Brücher, Ex-Ministerin und Vorsitzende der Theodor- Heuss-Stiftung, wagt diesen emotionalen Zugang und hat damit schon etwa 60 Organisationen mitgerissen.
Das Spektrum ist breit und reicht von Pro Asyl bis zum deutschen Volkshochschulverband, vom Unabhängigen Institut für Umweltfragen bis zu den Künstlern für Europa. Sie alle bereiten die Woche der Bürgergesellschaft vor, mit der das 50jährige Jubiläum des Grundgesetzes im Mai gefeiert werden soll.
„Wir wollen Vorschläge entwickeln, wie unsere Zuschauer- und Verdrossenheitsdemokratie zu einer erfahrbaren und glaubwürdigen Demokratie der Bürger werden kann“, sagte Hamm-Brücher gestern im Haus der Kulturen der Welt. Es sei völlig schief, daß die Parteien alle politischen Entscheidungen dominierten, obwohl nur 3,5 Prozent der Wahlbevölkerung einen Mitgliedsausweis habe. „Das heißt ja nicht, daß sich 96,5 Prozent der Leute nicht für Politik interessieren“, so Hamm-Brücher. Auch sei nicht einzusehen, daß engagierte Bürger immer mit dem Hut rumgehen müßten, derweil die Parteien pro Legislaturperiode eine satte Milliarde kassierten.
Am 8. Mai beginnt die zweiwöchige Woche der Bürgergesellschaft – denn genau 50 Jahre vorher wurde das Grundgesetz in dritter Lesung vom Parlamentarischen Rat angenommen. „Und der 8.Mai 1945 war der Tag der Befreiung und hat uns in Ostdeutschland zugleich eine 40jährige Diktaturerfahrung eingebracht“, ergänzt der Europaabgeordnete und Bürgerrechtler in der Ex-DDR Wolfgang Ullmann. Schon 140 Veranstaltungen in 76 Städten stehen auf dem Programm – und täglich kommen neue hinzu. Sie reichen von einem Aktionstag für Kinderbeteiligung über Grundsatzdebatten zur direkten Demokratie bis zu einem Gipfel der Generationen.
Auftakt und Schlußveranstaltung finden in Berlin statt. Nach einer Gedenkstunde bei der Topographie des Terrors soll in der Philharmonie eine Bilanz über die Verfassungswirklichkeit und die Zukunftschancen gezogen werden. Und am 22.Mai wird im Haus der Kulturen der Welt gefeiert – als Gegenpol zum offiziellen Staatsakt am Tag danach. Anmeldung weiterer Veranstaltungen: Stiftung Mitarbeit, Bornheimer Straße 37, 53111 Bonn. Annette Jensen
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