piwik no script img

■ SurfbrettDreidimensionale Geschichte

Können wir jetzt auch die dicke „Chronik der Deutschen“ ins Altpapier geben? Dahin, wo schon die anderen Lexika liegen, seit sich das Internet als jederzeit verfügbare und manchmal auch aktuelle Fundgrube für jede Art von Wissen etabliert hat? Unter www.dhm.de/lemo hat das Deutsche Historische Museum (DHM) in Berlin jetzt ein Archiv der deutschen Geschichte eröffnet. Von der Kaiserzeit bis zur Gegenwart: Das größte virtuelle historische Museum der Welt, sagen zumindest die Webdesigner. Sie haben die Gemälde und Fotos der deutschen Geschichte ins Web gehängt, wir klicken durch die Plakate der wilden Wahlkämpfe der Weimarer Republik von einer Jahreschronik zur nächsten. Nur hier und da leuchtet noch ein „Sorry, diese Seite befindet sich noch im Aufbau“ auf. Aber dem Museum hat das brave HTML-Format nicht gereicht. Es wollte seine Schätze noch plastischer ausstellen und hat sich von den Programmierern des Fraunhofer-Instituts für Software und Systemtechnik eine Version in Virtual Reality Modeling Language schreiben lassen. Im Deutschen hat sich „Wörmel“ für das Kürzel „VRML“ eingebürgert. Was in den Räumen des ISST aussieht wie eine rasante Kamerafahrt durch die Geschichte in 3D, wird zu Hause zum quälend langsamen Schneckenritt: Das ISST hat das virtuelle Museum zwar für multimediafähige PCs ausgelegt, aber selbst wenn die Graphikkarte ruckelfreie 3-D-Filme liefert, trübt die Datenübertragung per Modem oder ISDN das Vergnügen. Elitäre Voraussetzung für einen genußreichen Besuch – das gestehen auch die Techniker ein – ist ein Breitbandanschluß am Deutschen Forschungsnetz. Um alle Abstürze, Neustarts und die endlosen Ladezeiten zu überbrücken, holt man dann doch die „Chronik der Deutschen“ wieder aus dem Altpapier. Marcus Franken

Textschmiede@t-online.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen