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AnalyseSense and sensibility

■ Rechtsfragen auf dem schwierigen Weg zum Holocaust-Mahnmal

Es knirscht im Räderwerk des bundesrepublikanischen Großwerks symbolischer Politik. Die praktische Paketlösung eines Mahnmals mit erhöhten Pädagogikanteilen, mit der der Bundesbeauftragte für Kultur, Michael Naumann, auf Mehrheitsfähigkeit aus war, hat den Trotz einiger Beteiligter evoziert. Eine Sitzung des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien, in der das Mahnmal beraten werden sollte, ist abgesetzt worden. Zwei der Eingeladenen, der Künstler Jochen Gerz und der Architekt Daniel Libeskind, hatten kurzfristig ihre Teilnahme abgesagt. Im Wettbewerb für ein Holocaust-Mahnmal sei längst eine Tendenzentscheidung zugunsten der Entwürfe von Peter Eisenman gefallen, begründete Gerz. Darüber hinaus erhob er gegenüber Eisenman den Vorwurf des Plagiats. „Mein Entwurf“, so Gerz, „ist ein Ersatzteillager für Eisenman.“ In der Tat hatte Gerz in seinem Wettbewerbsbeitrag einen Ort der Kommunikation mit angeschlossenem Filmarchiv vorgeschlagen, wie es nun auch der sogenannte „Eisenman 3“-Entwurf vorsieht.

Die Debatte über das Gedenken an die Geschichtskatastrophe des Holocausts kann nicht frei sein von Befindlichkeiten. Daß diese gegenüber Argumenten an Gewicht gewinnen, ist nicht zuletzt eine Folge des erratischen Verfahrens, an dem im Lauf der Zeit diverse Kurskorrekturen vorgenommen worden sind. Problematisch wird es, wenn Befindlichkeiten ihren Ausdruck nicht länger in Meinungen finden, sondern nach juristischen Urteilen streben. Der Vorwurf des Ideenklaus müßte letztlich von Instanzen entschieden werden, die die symbolische Bedeutung des Vorgangs nicht berücksichtigen dürfen. Daß die Debatte um das Holocaust-Mahnmal von Gerichten entscheidend beeinflußt werden könnte, ist nicht mehr ausgeschlossen. Es könnte sein, daß die Modifikationen des öffentlich ausgeschriebenen Wettbewerbs für ein Holocaust-Mahnmal juristisch nicht einwandfrei waren. Der Wettbewerb, in dem noch Entwürfe von Daniel Libeskind, Gesine Weinmiller und Peter Eisenman zur Disposition stehen, sei nicht ordentlich zu Ende gebracht, meinen Juristen. „Eisenman 3“ könne nicht im Bundestag vorgestellt werden, da er den Ausschreibungsbedingungen widerspreche. Es sollte ausdrücklich keine Gedenkstätte entstehen, ferner war ein Kostenrahmen von 15 Millionen Mark vorgesehen. Der sehr viel teurere „Eisenman 3“ ist folglich nicht wettbewerbsfähig.

Das ist eine Rechtsauffassung. Zu ihrer Vertretung vor Gericht bedarf es einer Klage. Das wäre die Fortsetzung der Debatte mit anderen Mitteln. Dazu muß es nicht kommen. Eine wirksame Vermeidungsstrategie wäre Klarheit über das weitere Verfahren. Diesbezüglich hat sich Naumanns Kompromißvorschlag als Irrläufer erwiesen. Harry Nutt

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