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„Da ist die Politik nicht mehr glaubwürdig“

■ Reinhard Rürup, Professor für Neuere Geschichte und wissenschaftlicher Leiter der Berliner Gedenkstätte „Topographie des Terrors“, hält den neuen Vorschlag für unüberlegt und falsch

taz: Halten Sie den neuen Vorschlag eines Mahnmals mit Bibliotheken, Forschungsstätte und Museum des Holocaust für eine Chance?

Reinhard Rürup: Ich halte das für keine Verbesserung. Gegen den Entwurf spricht, daß die Form der Suche nach Funktionen vorausging. Ausgangspunkt war die ganz allgemeine Überlegung, das Denkmal durch etwas zu ergänzen, das es zu einem sogenannten lebendigen Denkmal macht. Eisenman hat auf dieser Grundlage geplant – zum Beispiel eine Wand, die Raum bietet für eine Million Bücher. Es hat aber nie jemand nach einer Million Bücher für diesen Ort gefragt.

Ist der Bibliotheksgedanke keine sinnvolle Ergänzung der Erinnerungsarbeit?

Michael Naumann argumentiert, wir bräuchten endlich eine Bibliothek, die alles über Antisemitismus und die Verfolgung der Juden sammelt. Im Haus der Wannsee-Konferenz und im Zentrum für Antisemitismus-Forschung geschieht das längst: Aber diese Spezialbibliotheken sind unendlich viel kleiner. Auch im Neubau der Topographie des Terrors werden wir eine Spezialbibliothek mit 30.000 Bänden haben.

Dann ist die Million Bücher aus der Luft gegriffen?

Ich stelle mir das so vor: Die Wand ist aus Eisenmans architektonischen Überlegungen entstanden. Länge und Höhe ergeben sich aus der Abschlußfunktion, daher 115 mal 20 Meter. Da er schon Bibliotheken gebaut hat, hat er dann ausgerechnet: Es gibt Raum für eine Million Bücher.

Die Konzeption ist also nicht von Inhalten ausgegangen?

Nein. Eisenman 3 ist etwas grundsätzlich anderes als die vorhergehenden Entwürfe Eisenman 1 und 2, weil es jetzt um eine Gedenkstätte mit einem angegliedertem Stelen-Feld geht. Alle bisherigen Diskussionen drehten sich aber um ein Denkmal.

Wenn man sich Berlin mit einem Holocaust-Museum, dem Jüdischen Museum – gleich zwei Häuser, die neu zu füllen sind – und der Topographie des Terrors vorstellt: Drohen da nicht inhaltliche Überschneidungen?

Für die Topographie des Terrors sehe ich kein Problem. Wir haben das Konzept der dokumentarischen Ausstellung, mit dem wir auch im Neubau weiterarbeiten werden. Für das Jüdische Museum bin ich sehr optimistisch, daß nach den Plänen von Michael Blumenthal dort ein großer Ort für die Präsentation jüdischer Geschichte in Deutschland und Europa entstehen wird.

Aber für den dritten Ort, Denkmal plus Museum, bin ich skeptisch: Wenn man hier ein Museum mit 8.000 Quadratmeter Nutzfläche und 2.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche errichtet, entstehen schwer erfüllbare Ansprüche. Dann muß man sich als deutsches Holocaust-Museum mit dem in Washington vergleichen lassen, und im Verhältnis zu den Präsentationen dort wird das hier klein aussehen und die Kritik provozieren, daß man im Land der Täter den Verbrechen nicht gerecht wird.

Der ursprüngliche Dreiklang könnte dagegen gut funktionieren: Die Topographie ist nur zehn Minuten zu Fuß von dem Denkmal entfernt, und auch das Jüdische Museum ist nah. Dort erhält man Informationen über die jüdische Geschichte, über das, was zerstört worden ist, und wir beantworten die Fragen nach dem Zerstörungsprozeß, nach den Tätern und den Voraussetzungen der Tat.

Michael Naumann begründet die Notwendigkeit einer Ausstellung damit, über Bilder emotionale Beteiligung und damit aktives Erinnern sichern zu wollen. Ist die museale Inszenierung nicht der falsche Weg für Berlin? Gälte es nicht mehr, in der Stadt selbst das Netz der am Massenmord beteiligten Verwaltungen kenntlich zu machen?

In der Tat ist das ein Grundproblem des Vorschlags: An einem unspezifischen Ort ein Museum zu errichten, während eine Reihe von bestehenden Einrichtungen an historischen Orten in Berlin und Brandenburg große Finanzierungsprobleme haben. Man kommt natürlich in Schwierigkeiten, wenn man in Aussicht stellt, für ein Holocaust-Museum mit Denkmal stünden 180 Millionen zur Verfügung, aber die 30 Millionen, die in den brandenburgischen Gedenkstätten, insbesondere in Sachsenhausen und Ravensbrück, gebraucht werden, sollen nicht finanzierbar sein. Da ist die Politik nicht mehr glaubwürdig. Interview: Katrin Bettina Müller

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