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Rechter "Frohsinn" fand ein polizeiliches Ende

■ Bei einem Konzert überprüfte die Polizei 300 Personen und nahm zehn fest. Wirtin wußte angeblich nichts von rechten Veranstaltern

Mit einem Großeinsatz hat die Polizei in der Nacht zum Sonntag ein rechtes Rockkonzert im Vereinshaus einer Pankower Schrebergarten-Kolonie aufgelöst. Dabei wurden die Personalien von 292 Teilnehmern festgestellt, zehn Personen wurden vorübergehend festgenommen. Zwei Personen landeten wegen Verstößen gegen das neue Polizeigesetz ASOG in Polizeigewahrsam. Die anderen wurden wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt festgenommen.

Bei dem Konzert in der Gaststätte „Frohsinn“ an der Blankenfelder Chaussee hat es sich nach Polizeiangaben um eine „konspirative Musikveranstaltung“ gehandelt, an der neben einer französischen Band auch die Rockgruppe „Spreegeschwader“ teilgenommen hatte. Die Polizei sprach in diesem Zusammenhang von einer „größeren Aktion“ ihrer Einsatzkräfte. Es habe zwar keine Ausschreitungen gegeben, dennoch seien drei Beamte beim Feststellen der Personalien leicht verletzt worden.

Die Polizei konnte gestern allerdings keine Angaben darüber machen, wer das Konzert organisiert hatte und ob dabei bekannte Rechtsextremisten anzutreffen waren. Allerdings seien unter den Gästen Skinheads mit verfassungsfeindlichen Emblemen an ihrer Kleidung gewesen.

Vorwürfe gegen den Einsatz erhob gestern die Wirtin der Gaststätte gegenüber der taz. Nach ihren Angaben sei die Polizei gegen 23 Uhr mit etwa 100 Beamten in ihr Lokal eingedrungen. Dabei sei ihr Mann mit einem Knüppel niedergeschlagen worden. Gegen zwei Uhr nachts sei die Aktion beendet gewesen. Insgesamt sei alles aber „friedlich abgegangen“.

Das Rockkonzert, so die Wirtin, sei ihr gegenüber als „Tanzveranstaltung mit Live-Musik“ angekündigt worden. Die Anmelder seien äußerlich nicht als Rechtsextremisten zu erkennen gewesen. Vor dem Konzert habe sie alle Gäste auf Waffen oder Rauschgift überprüfen lassen. Auf dem Konzert sei ihres Wissens nach keine rechte Propaganda betrieben worden, sie habe jedoch die Liedtexte auf englisch und französisch nicht verstanden. Für die Veranstaltung habe sie keine Miete bekommen, nur über den Ausschank habe sie sich Einnahmen erhofft.

Berliner Antifa-Kreise zeigten sich gestern überrascht über das Konzert und die Aktion der Polizei. Beides sei offenbar „sehr intern“ organisiert worden. Daß rechte Konzerte dieser Größe in Berlin stattfänden, sei „sehr ungewöhnlich“. In der Regel trauten sich die Rechtsextremisten so etwas nur in Dörfern Sachsens, Brandenburgs oder Mecklenburg- Vorpommerns. Konzerte mit ausländischen Bands müßten schon monatelang vorher geplant werden. Durch „Fanzines“ sowie Mund-zu-Mund-Propaganda erfahre das Publikum davon.

Wie die Polizei gehen die Antifaschisten davon aus, daß das Datum des Konzerts, der 30. Januar, nicht zufällig auch der Tag der „Machtergreifung“ Hitlers vor 66 Jahren war. Philipp Gessler

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