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Antijüdischer Schmähbrief geahndet

■ Leeraner Ratsherr muß 4.000 Mark wegen Beleidigung zahlen

Leer. Der Kommunalpolitiker und Rechtsanwalt Gerd Koch aus Leer ist gestern wegen eines antijüdischen Schmähbriefs zu einer Geldstrafe von 4.000 Mark verurteilt worden. Das Amtsgericht Leer bewertete das Schreiben an die von Koch als „Judenverein“ titulierte Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Ostfriesland als Beleidigung. Die Anklage hatte eine Verurteilung wegen Volksverhetzung und 8.000 Mark Geldstrafe gefordert.

Koch, der während des Prozesses schwieg, hatte in dem Brief die Entschädigungsbemühungen von Nazi-Opfern als „Abzocken“ bewertet. „Mal sehen, wer noch im nächsten Jahrtausend angezapft wird“, hieß es in dem vor Gericht verlesenen Brief. Darin werden auch – in Frageform – Spekulationen über finanzielle Beteiligungen des Vorsitzenden des Zentralrates der Juden, Ignatz Bubis, angestellt.

Der Angeklagte, der für die Gruppe Allgemeine Wählergemeinschaft (AWG) Ratsherr und Kreistagsabgeordneter ist, wollte nach Ansicht des Staatsanwaltes „Haß streuen“ und mit antisemitischen Ressentiments „politischen Stimmenfang“ betreiben. Kochs Verteidiger reklamierte für seinen Mandanten das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und forderte Freispruch.

Der Amtsrichter begründete seine Bewertung der Tat als Beleidigung statt Volksverhetzung damit, daß Koch trotz „vorhandener antisemitischer Ressentiments“ keine Identifizierung mit der Nazi-Ideologie nachgewiesen werden könne. Das Urteil, das der Angeklagte sofort annahm, betraf nur die Beleidigung der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Weder Bubis noch andere jüdische Betroffene, so betonte der Richter, hätten Strafanzeige erstattet.

Der Gerichtssaal in Leer war überfüllt; auf dem Flur warteten Dutzende, die keinen Einlaß gefunden hatten. Vielfach wurde laute Empörung über das niedrige Strafmaß geäußert. Der Verurteilte verließ das Gericht durch einen Nebenausgang. dpa

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