: Arbeit Von Martin Nusch
Arbeitenden ein Dorn im Auge zu sein ist wohltuend, wenn mit Muße in einem Kaffeehaus ausgeübt und durch behagliches Ausschlafen und warmes Verpacken in molligen Klamotten eingeleitet. Nicht wohltuend ist das Dornendasein, wenn die Arbeitenden mal vorbeikommen – zu ihren üblichen Zeiten und mit ihren üblichen Werkzeugen!
Es ist kurz vor acht Uhr früh, als zwei Arbeitende Sturm klingeln und mich in unzureichender Garderobe zu Gesicht bekommen, weil sie den Abfluß des gesamten Hauses reinigen möchten. Sie werden höflich ins WG-Bad geleitet, wo sie sich alsbald ausbreiten und einrichten, daß es eine Art hat.
Nach einer Weile kommt der eine keuchend mit unserer Toilette in den Flur. Ich wusele um ihn herum, um zu ergründen, ob es und wo es tropft und wie ich den Teppichboden vor Schaden bewahren kann. Es gelingt mir, eine Zeitung unterzuschieben. Archaisch und etwas einsam steht nun unser Klo auf dem Flur und rührt sich nicht. Einzelne Tropfen lösen sich von Zeit zu Zeit und sickern in die taz von gestern. Ein nicht angeschlossenes Klo hat etwas Ruhiges, Ernstes, noch Kontemplativeres als ein in seiner gewohnten Umgebung befindliches.
„Na?“ sagt das Klo zu mir. „Selber na!“ denke ich, sage dann aber freundlich: „Guck dich ruhig mal um, siehst du so schnell nicht wieder, unseren Flur. Das da drüben ist übrigens das Telefon. Wenn du dich etwas streckst, kannst du zum Fenster rausschauen und hier, wo der Mann grade die Schläuche durchträgt, das nennt man Wohnungstür.“ Konzentriert sieht sich unser Klo in der Wohnung um und versucht, sich alles gut einzuprägen. Darüber vergißt es, sich weiter mit mir zu unterhalten.
Der Arbeitende ist in der Zwischenzeit damit beschäftigt, mit Hilfe einer seltsamen Maschine eine lange Spirale in das Wasserrohr zu leiten, was Geräusch und Dreck verursacht. Ich beschließe, vollends aufzuwachen, und gehe mit der Zeitung in die Küche, wo ich mit wachsender Panik die immer mehr anschwellenden Geräusche von „Arbeit“ mitanhöre. Desgleichen die restliche WG. Der Hausmeister schaut rein. Er wolle, erklärt er, doch mal sehen, wie „die Studenten so frühstücken“. Wir machen‘s ihm vor, er verläßt die Küche wieder.
Der Lärm wird größer. Gerade als ich denke, daß jetzt gleich die außer Kontrolle geratene Spiralreinschiebmaschine durch das Spülbecken bricht und uns alle erwürgt oder zumindest gründlich von innen reinigt, ist plötzlich Ruhe. Der Arbeitende teilt uns mit, die Badewanne würde jetzt wieder abfließen. Wir erklären, das hätte sie auch zuvor getan. Schulterzucken. Jedenfalls, man gehe jetzt die zweite Haushälfte an. Putzen könnten sie leider nicht auch noch, das müßten wir dann machen. Ach, und die Schrauben vom Klo seien nicht, wie sie sein müßten, deswegen könne man sie nicht richtig befestigen. Hab' ich mir gedacht. Wir haben dem Klo die Freiheit gezeigt. Warum sollte es sich jetzt wieder freiwillig Fesseln anlegen lassen?
Wir werden weiterleben mit einer wackelnden Schüssel und versauten Kacheln. Und wir werden wieder ausschlafen und den Arbeitenden mit noch größerer Freude ein Dorn im Auge sein! Wo ist mein Pullover? Ich muß sofort in irgendein Kaffeehaus!
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