: Grüne liegen im Clinch ums Wahlprogramm
■ Basis stellt Dutzende Änderungsanträge zum Programm / Mitgliederversammlung mußte sich vertagen / Kreisverband Schwachhausen fühlt sich verprellt
Dreimal so dick wie das neue grüne Parteiprogramm waren die Änderungswünsche. Und der erste Antrag auf der gestrigen Mitgliederversammlung der Bremer Grünen im Bürgerhaus Vahr ging gleich in die Vollen: Das Programm „können wir nicht einfach abklopfen“, betonte Uschi Seibert aus dem Kreisverband Schwachhausen.
Abgeklopft wurde auf der gestrigen Landesmitgliederversammlung denn auch kaum etwas. Selbst für die Aussage „Wir wollen eine rot-grüne Koalition durchsetzen“ brauchte es erst eines Machtwortes des Ex-Senators Ralf Fücks.
Vor allem die Schwachhausener Basis zeigte sich gestern aggressiv basisdemokratisch. Und so war dann um 18 Uhr klar: Die Bremer Grünen kommen nicht durch mit ihrem Programm; am kommenden Freitag, den 12. Februar – einen Tag bevor die Landesliste für den Wahlkampf stehen soll – müssen die Mitglieder erneut in die Bütt.
Mit großem persönlichen Einsatz an den Saalmikrophonen zeigten die Sansculotten aus Schwachhausen, daß sie die symbolische Entmachtung ihres Kreisverbandes nicht hinnehmen wollen. Seitdem die Vorschläge des Landesvorstandes für die Listenplätze auf dem Tisch liegen, hängt hier der Haussegen schief: Wurden doch ihre Erstplazierten Karin Mathes und Arendt Hindriksen auf die hinteren Plätzen verbannt und mit Andrea Frohmader und Matthias Güldner zwei Schwachhausener Außenseiter vorn plaziert. „Die Freunde von Helga Trüpel eben“, so Grünen-Youngster Jan Fries: „Der Mainstream bootet die Linken aus.“
Um so angriffslustiger zeigte sich die Basis um Mathes und Hindriksen am Sonntag. Eng an eng saßen sie hinten links im Bürgerhaus Vahr und schmetterten ihren Parteigenossen vorne rechts – Hermann Kuhn, Ralf Fücks, Helga Trüpel und ... Andrea Frohmader – ihre Änderungsanträge um die Ohren: einen neuen Containerterminal in Bremerhaven befürworten? Nicht die Bohne! „Nichts Konkretes über Umweltentlastung im Programm – und wo es um die Belastung der Umwelt geht, sollen wir plötzlich 'ja' sagen?!“ fragte Katrin Mathes. Sollen sie nicht: Gegen die erhobenen Hände der Fraktionsspitze wurde der Containerterminal aus dem Programm genommen. Glück für Helga Trüpel, daß Ralf Fücks aus Berlin angereist war, so daß in der Frage neuer Gewerbegebiete am Stadtrand ein Kompromiß gefunden wurde, bei dem Trüpel halbwegs ihr Gesicht wahrte: „Neue Gewerbegebiete am Stadtrand wollen wir nicht, solange kein Großbetrieb mit hoher Arbeitsplatzzahl sie braucht“, hatte die Bürgerschaftsabgeordnete ins Programm diktiert. Nun gilt das Arbeitsplatz-Argument nur noch, wenn nirgendwo anders mehr Verdichtung möglich ist. In der Frage einer künftigen Bremer Privatuni setzte sich Hermann Kuhn gegen die jungen Bildungspolitiker um Jan Köhler gerade noch mit 35 gegen 31 (insbesondere Schwachhausener) Stimmen durch: 300 Millionen Mark Steuergelder für den Bau der Internationalen Hochschule bleiben im Grünen-Programm.
Insbesondere die Umweltpolitikerin Karin Mathes punktete und ist entschlossen bei den Landeslistenwahlen am kommenden Samstag gegen die fünftplazierte Bettina Dannheim in den Ring zu steigen. Genauso wie Helmut Zachau, der Bildungpolitiker und „Querdenker im Fraktionsvorstand“ (Hindriksen), der sich nicht mit seinem Platz Neun zufrieden geben will und auf den zweiten Platz Anspruch erhebt – gegen Bürgerschafts-Vize Hermann Kuhn. ritz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen