Regierung hat Minijobs geringfügig unterschätzt

■ Arbeitgeber wenden sich scharf gegen die neuen 630-Mark-Jobs. Die Regelung sei zu kompliziert. Das Land Baden-Württemberg will möglicherweise beim Verfassungsgericht klagen

Bonn (dpa/taz) – Mancher rot- grüne Politiker wird sich wünschen, die Diskussion um die geringfügig Beschäftigten wäre endlich vorbei. Denn nicht nur die Gewerkschaften stemmen sich mit aller Macht gegen die geplante Neuregelung. Gestern kündigte der Ministerpräsident von Baden- Württemberg, Erwin Teufel (CDU), an, sein Land werde gegen den vorliegenden Entwurf klagen, sollte das geplante Gesetz nicht nachgebessert werden.

Teufel stützt sich auf ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Ferdinand Kirchhof. Dieser gelangt zu dem Schluß, daß die pauschale Abgabe der Arbeitgeber zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung verfassungswidrig sei. Vorgesehen ist, daß der Arbeitgeber für einen Beschäftigten einzahlen soll, der aber keine Ansprüche erwirbt. Es sei denn, dieser stockt die Zahlung zur Rentenversicherung auf den vollen Beitrag auf. Kirchof hält es auch nicht für gerechtfertigt, das Gesetz damit zu begründen, daß es Wettbewerbsverzerrungen verhindere oder dem Mißbrauch von Minijobs entgegenwirke.

Dieser Meinung haben sich verschiedene Verbände angeschlossen. Elf Organisationen des Handels, der Gaststätten und der Verlage, in denen häufig geringfügige Beschäftigung vorkommt, plädierten gestern dafür, die bisherige Regelung beizubehalten. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband bezifferte den Anteil der Minijobber mit 40 Prozent der Beschäftigten im Gewerbe. Durch die geplante Besteuerung der Minijobs und die Sozialbeiträge müßten die Jobber mit monatlichen Nettoverlusten von fast 260 Mark rechnen. Die Arbeitgeber könnten dies nicht ausgleichen.

Wie viele Minijobber es gibt, ist strittig. Für 1997 liegen Zahlen zwischen 2,2 und 5,6 Millionen vor. Unstrittig ist, daß ihre Zahl von Jahr zu Jahr zunimmt. Bislang führen die Arbeitgber eine Pauschalsteuer von etwa 20 Prozent im Monat ab. Die Umstellung auf Pauschbeträge für die Sozialkassen sei aufwendig und verteuere diese Jobs, monierten die Verbände gestern. Den neuen Gesetzentwurf will Arbeitsminister Walter Riester (SPD) Ende dieses Monats dem Bundestag vorlegen. Am 1. April soll die Neuregelung in Kraft treten. roga