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So fad wie abgestandenes Kölsch

■ Warum muß der „Tatort“ auch in den Karneval!? (So., 20.15 h, ARD)

„Ey, ich find' Karneval einfach total bescheuert!“ sagt Kriminalhauptkommissar Max Ballauf keine 20 Sekunden nachdem der Vorspann wieder einmal quer über den Bildschirm gerannt ist. Westfale bleibt Westfale. Egal, wo's singt und lacht.

Selbst wenn der diesjährige TV- Karneval mit der nächtlichen MDR-Live-Übertragungswiederholung des „461. Wasunger Karnevalsumzugs von 1996“ (und seinen offenbar seit 461 Jahren im Wasunger Dauerregen hinterdreintrottenden Provinzblaskapellen) bereits am Mittwoch seinen Zenit überschritten hat: die alljährliche Armageddon-Simulation mit Anfassen scheint die öffentlich-rechtlichen Televisionäre ganz narrisch zu machen. Kein Programm, kein Format und keine noch so große Zielgruppe, die nicht ihr (Prime-time-)Bützchen aufs Auge gedrückt kriegten – bis letzlich nicht nur Mainz Mainz bleibt, sondern auch Offenburg (Montag/ ARD), Arnstadt (Dienstag/ MDR), Saarbrücken (Mittwoch/ SWR), Homosexualität (Donnerstag/WDR) und Venedig (Freitag/ 3sat), um nur einige Beispiele zu nennen und von Köln ganz zu schweigen bzw. eben nicht.

Denn so gesehen ist es schon eine kleine Sensation, daß HK Ballauf von der WDR-Kripo seinen Antikarnevalismus in die kölsche „Tatort“-Welt schnoddern darf. Ja, einen wahrhaft tollkühnen Einfall hat Peter Zingler, das „Enfant terrible unter den Drehbuchautoren“ (WDR), da ins Skript geschrieben: nicht gerade subtil zwar, dafür aber doppelt clever, weil sich der Krimi – sozusagen mit einem dialektischen Augenzwinkern – gleich zu Beginn nicht nur luftschlangenbehangenen Kümmerling-Junkies anempfiehlt. Und vor ein paar Wochen, als die Sat.1-Serie „SK Kölsch“ ihren Pilotfilm ebenfalls mitten in die Love Parade am Rhein verlegte, kam die Sache mit dem Kamellenverächter als Ermittler ja auch ganz gut.

Doch während dort der Täter immerhin ein „Karnevalstrauma“ (Sat.1) mit sich herumschleppte, bevor er im Rosenmontagsumzugsshowdown unter die Räder kam, verzichtet der „Restrisiko- Tatort“ auf derart dramaturgische Finessen. Statt dessen wirkt der tagesaktuelle Kontext so aufgesetzt wie eine Pappnase, der Plot so fad wie ein abgestandenes Kölsch, in dem hier und da ein paar aufgeweichte Konfettis schwimmen: Irgendwer wird irgendwo ermordet, irgendwer verdächtigt, der's nicht war. Das war's. Und Millowitsch- Sohn Peter hat eine Nebenrolle. – Doch was soll's: Wenn die Tage schon toll sind, kann sich's der „Tatort“ schenken. Und man sich ihn. Christoph Schultheis

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