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Die rumpelnde Prinzenrolle

■ Wenn der "CityExpress" einfährt, sind zwei Autorinnen bereits ausgestiegen (21.45 Uhr, ARD)

Was nutzte es dem WDR, daß er im Vorfeld zu seiner neuen ARD-Weekly die Unmenschlichkeit wagte, „Zuschauer und Kritiker um Geduld“ zu bitten, ehe sie „ihr endgültiges Urteil“ über die neue Donnerstagabendserie fällten. Nichts nutzte es. Und das nicht etwa, weil die erwartete Gewöhnung an feste Sendeplätze und Formate sowieso kein verläßliches Indiz für Qualität ist. Nein, bevor irgendwer auch nur vorläufig hätte urteilen können – nämlich gestern –, meldeten sich die „CityExpress“-Autorinnen Martina Borger und Maria Elisabeth Straub zu Wort und distanzierten sich von der Serie: „Die Umsetzung hat nichts mehr mit unserem Konzept zu tun“, sagte Straub der Nachrichtenagentur dpa. „Die von uns angestrebte Qualität ist auf der Strecke geblieben.“ Zudem mäkeln die beiden „headwriter“, die sich 13 Jahre „Lindenstraßen“- Folgen ausdachten, es seien neben ihnen „Leute eingesetzt worden, die bislang nur Soap-operas geschrieben haben“.

Und wenn er heute abend endlich einfährt, der „CityExpress“ von Köln/WDR über Westerland/ Sylt nach Dresden/MDR, kommen die Dialoge und Geschichtchen rund ums Bahnfahren tatsächlich angerumpelt wie eine Prinzenrolle, die auf dem Bahnsteig aus dem Süßwarenautomaten fällt. Dabei ist Mit-der-Bahn-durch-die-Gegend-Reisen ja vielleicht wirklich eine hübsche Serienidee. Ein „innovative Ausrufezeichen in der Abendunterhaltung“, wie es WDR-Fernsehchef Jörn Klamroth gern hätte, ist es nach fünf langen Jahren Vorbereitungszeit allerdings wirklich nicht geworden. Der „CityExpress“ hätte ruhig noch etwas auf sich warten lassen können und WDR und MDR in der Zwischenzeit das Drehbuch nochmal generalüberholen lassen.

Andererseits versprach die PR- Ankündigung zwar: „Im Mittelpunkt der Serie steht das Zugteam“ – ließ aber keinen Zweifel daran, daß im Mittelpunkt eigentlich die Technik steht. Denn, wenn die 150 Meter lange Wagonkulisse in Köln-Bocklemünd nach 12 Minuten gestelztester Rahmenhandlung endlich Abfahrt simuliert (und zwar so sanft, als hätte die Bahn neuerdings heiße Milch mit Honig statt Radreifen aufgezogen), schleicht der stolz präsentierte Clou der Serie in den Bildhintergrund jenseits der Abteilfenster: Täuschend echte Deutschlandschaften ziehen vorüber.

Möglich machen's fünf Mini-DV Camcorders, die in Frühjahr, Sommer, Herbst und winters die Originalbahnstrecken abfilmten, und deren 180-Grad-Panoramablick mit einem ursprünglich für Flugsimulatoren gedachten Virtual-Reality-System in den Hintergrund projiziert wird oder so ähnlich.

Nun kann man sich dafür natürlich auch einfach in einen x-beliebigen Zug setzen. Aber für die monatliche GEZ-Gebühr kommt man schließlich in echt gerade mal von Dortmund noch Paderborn. Und wenn einen die dumpfen Stories der Mitreisenden im „CityExpress“ allzusehr nerven – dann macht man's halt wie Borger & Straub: Man steigt aus. Christoph Schultheis

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